Freitag, 20. Juni 2006, von Mulei nach Xialaoba, 124 Kilometer, 1040 Höhenmeter, Hagel bei 8 Grad


Direkt vor Mulei beginnt die Trockensteppe, eine riesige flache Ebene, nach rechts durch den Tienshan begrenzt und nach links so unendlich weit und platt, dass man wie am Meer die Krümmung der Erde sehen kann. Dort führt dann unsere Straße immer gerade aus entlang und wehe dem, der hier bei Gegenwind mit dem Rad entlang fahren muss.

Das Glück ist jedoch auf unserer Seite und wir haben den Wind von hinten und der schiebt uns sehr kräftig voran, aber nicht nur uns, denn er schiebt auch eine dicke Wolkenfront vor sich her. Nach 35 Kilometern durch die karge Wüste kommt noch einmal ein winziger Ort, das heißt drei Lhmnhütten und eine Tankstelle und ein kleines Restaurant und ein Laden. In diesem kaufen wir die Bestände an Nutri-Fit auf, ein Joghurtgetränk, das bei fast allen auf regen Zuspruch stößt. Leider haben sie nur die „New Created“ Sorte und die ist verschlimmbessert worden und schmeckt jetzt noch künstlicher fruchtig, gibt aber Energie und Kraft für die nächsten 50 Kilometer.

Bis dorthin haben wir das Wettrennen mit der Regenwolke noch gewonnen, aber als wir unsere Joghurtdrinks schlürfen fängt es dann an zu regnen. Behende schwingen wir uns aufs Rad und das Wettrennen mit dem Wetter beginnt aufs Neue. Der Wind schiebt uns mit einem Schnitt von mehr als 30 Kilometern vorwärts und nach 10 Minuten kann ich die Regenwolken hinter mir lassen.

Auf unsere Strecke gibt es heute nur einen Ort, der den Namen auch verdient. Nach 75 Kilometern erreichen wir das kleine Dorf Dashitou und ich bestelle für alle Nudeln. Die brauchen wir auch, denn hinter Dashitou beginnen die Berge.

Für den heutigen Abend habe ich noch ein Problemchen, unsere Übernachtung in der Familie in Xialaoba ist noch nicht gesichert, denn meine Kontaktnummer hat nicht funktioniert. Deshalb rausche ich mit Hubert gleich weiter. Inzwischen nähern sich die Regenwolken von allen Seiten, aber noch beginnt es nicht zu tröpfeln. Mit dem Wind ist es sogar ein Vergnügen, den Berg hinauf zu fahren, zumindest bis zu dem Punkt, als die Straße einen großen Knick macht. Dann bläst der Wind kräftig von der Seit und von vorne. Zum Glück sind es aber keine 30 Kilometer mehr bis zum Ziel.

 

Die Landschaft jetzt erinnert eher an Mond oder Mars. Bis zum Horizont gibt es nur kahle und trockene Berge und sonst nichts. Manchmal stehen ein paar Ziegen in der wilden und kargen Landschaft und ich frage mich, wovon die sich ernähren.

Als Hubert und ich über den letzten Hügel fahren und vor uns schon Xialaoba in der nächsten Ebene liegen sehen, bricht dann der Regen los. Es ist unheimlich kalt geworden und wir haben gerade einmal 10 Grad, doch wenig später fallen wir im Zielort in ein kleines Restaurant ein und können uns die Finger bei einem Tee wärmen.

Die Familie des geplanten Homestays ist nicht zu Hause, aber ich wende mich an den Nachbarn und der noch einmal an seinen Nachbarn und so kann ich recht schnell 4 Zimmer organisieren. Die Übernachtung wird sehr einfach, Wir werden auf ausgerollten Matten auf dem Boden schlafen, in zwei Räumen gibt es jeweils einen großen Kang, eine erhöhte Schlafstelle für 4 Personen, Waschgelegenheiten gibt es nicht, genauso wie eine Toilette. Die befindet sich auf der anderen Straßenseite, 300 Meter in der Wüste. Ansonsten sagen die Leute, verringert sich die Entfernung der Toilette mit zunehmender Dunkelheit.

Das Wetter wird immer mieser, zwischendrin gibt es einen Hagelschauer und alle kommen reichlich durchgefroren nach und nach im Restaurant an. Im Gastraum haben gerade so alle Platz und so wird es dort schnell angenehm warm. Die Köchin bereitet erst einmal für alle eine würzige Nudelsuppe und dann beziehen wir die Quartiere. Eine Stunde später sind wir wieder im Restaurant. Ich spendiere drei Flaschen mit chinesischem Wodka, der aus mehreren Getreidesorten gebrannt wird und 52 Prozent Alkohol hat. Dann gibt es gebratene Nudeln und noch ein paar Runden von dem Schnaps. Bis 22 Uhr sitzen wir dann alle recht fröhlich beisammen und nach und nach trauen sich einige durch die Nebel- und Regensuppe zurück in die Unterkunft.

Gegen halb 11 kommt dann noch die Polizei und ist auf der Suche nach mir, der Polizist möchte jetzt noch alle Pässe haben, aber mit ein wenig Verhandlungsgeschick kann ich die Formalitäten auf den nächsten Morgen verschieben.

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