17. Tag bis 20. Tag: 21.7.14 bis 24.7.14

Aufs Dach der Welt

auf dem Pamir Highway von Chorog über den Koy  Tezek( 4290m) und Neizatsch Pass(4137m) nach Murgab, 90 km (1300 hm), 90 km (1800 hm), 108 km (850 hm), 25 km ( 100 hm) bei Sonne, etwas Wind aus allen Richtungen und maximal 30 Grad

Das Dach der Welt ist das nicht eigentlich der Himalaya, die Antwort heißt: Jein! Eigentlich nicht, aber inzwischen doch. Bis ins vorletzte Jahrhundert war der Pamir das besterforschte asiatische Gebirge und wurde von den Geologen und Kartographen als das „Dach der Welt“ bezeichnet, da es geologisch der Knotenpunkt des Tien Shan Gebirges, des Kunlun, Karakorum und des Hindukusch ist. Als das Interesse für Tibet zu und das am Pamir abnahm, wurde dann der Begriff auch für den Himalaya übernommen, wir dürfen also mit einiger Kulanz also auch den Himalaya als „Dach der Welt“ bezeichnen.

Also heißt es nun am Morgen für uns: „Dann mal rauf aufs Dach!“ Halb sieben kommen wir los und tatsächlich findet sich ein kleiner Laden der schon geöffnet hat, zwar gibt es keine Salami, aber auch eine andere Wurst, die recht haltbar aussieht. Und natürlich auch noch ein paar Mars und Snickers. Das Zeug fasse ich ja zu Hause überhaupt nicht an und Reinold hätte sich vor der Tour schon gar nicht vorstellen können, seinen Energiebedarf mal mit Cola und Snickers zu decken. Aber die geschätzten 6000 Kalorien, die wir hier jeden Tag verbraten, müsse ja irgendwo herkommen, vom Fladenbrot jedenfalls nicht.

Ich habe in diesem Jahr meinen „Kühlschrank „auch noch ein wenig weiter entwickelt, im letzten Jahr war es nur ein feucht gehaltenes Handtuch auf dem Gepäckträger, in das ich die zu kühlenden Sachen eingewickelt hatte, da sind dann aber bei holprigen Abfahrten einige süße Sachen verloren gegangen, deshalb habe ich extra einen Baumwollbeutel dafür abgestellt, dieser wird jetzt ständig feucht gehalten und braucht je nach Sonneneinstrahlung aller ein bis zwei Stunden einen Guss Wasser. Damit ist es sogar möglich bei 38 Grad Butter durch die Landschaft zu transportieren und auch die Schokoriegel bleiben schön fest und die Wurst hält sich drei oder vier Tage.

Ab Chorog geht es dann gemächlich und stetig hoch, so richtig anstrengend ist es nicht, auch ist die löchrige Straße zumeist noch recht gut zu fahren. Am Anfang gibt es gleich noch einmal einen Kontrollpunkt, ich glaube inzwischen der vierte und wir kommen wieder ohne Probleme durch. Reinold, der ja in Liechtenstein eine Druckerei leitet, hat eine Unmenge an Aufklebern dabei und verteilt die gleichmäßig über das ganze Land. Es ist eine Liechtensteinsche Flagge und der Satz: „Zu spät, der erste Liechtensteiner war schon hier!“ So stellt sich auch heraus, dass sich unsere Wege schon einmal gekreuzt haben, nämlich in Laos in den Bergen am Nam Ou Fluss, dort war mir nämlich ein ebensolcher Aufkleber vor ein paar Jahren schon einmal aufgefallen.

Nach zwei Stunden Strampelei wird es Zeit für ein zweites Frühstück und da eignet sich wunder bar ein Truckerrestaurant. Auf dem Umschlagplatz dahinter sind vielleicht an die 30 chinesische und tadschikische Trucks geparkt und hier wird fleißig umgeladen, die Chinesen fahren dann wieder zurück  nach Murgab und weiter nach Kashgar in der Provinz Xinjiang. Es ist ein wunderschönes Tal hier, es mangelt nicht an klarem Wasser zum Auffrischen des Trinkwassers und zum Kühlen des Füße.

Die Dörfer und Siedlungen werden nach oben hin wieder kleiner und man kann ab und zu noch die traditionellen Lehmhäuser der Pamiris sehen. Die Häuser sind Fensterlos und rechteckig flach, nur oben befindet sich ein sechseckiges Fenster im Dach, vor allem von innen ist diese Holzkonstruktion interessant. Wir bekommen sie noch zu sehen, denn wir klappern meine „Bekannten“ vom letzten Jahr ab, das heißt wir lassen uns an der gleichen Stelle wie im vorigen Jahr einen tee anbieten. Die Freude ist riesig, als ich dann die Farbfotos auspacke und wir solle dann gleich zum Übernachten da bleiben, auch wenn die Frau des Hauses gar nicht da ist, aber wir wollen noch ein wenig Höhe gewinnen, bevor wir uns morgen auf den ersten 4000er Pass stürzen.

Eigentlich hatte ich in der Hochebene rund um das Dorf Vangala auch wieder eine Wiese im Visir, aber wir verfehlen diese, landen aber ebenso idyllisch auf einer ebenso schönen grünen Fläche hinter einem Gehöft, direkt an einem eiskalten, klaren Wasserlauf. So haben wir am Abend die nette Gesellschaft der Mädels aus den drei umliegenden Gehöften und machen wieder schöne Fotos mit der ganzen Familie. Leider werde ich sie wohl erst 2016 abliefern können, was natürlich auch gleich die Aufforderung an alle Interessierten Radler ist, sagt rechtzeitig Bescheid, denn es wird wieder ein solche Tour geben und eben wohl 2016 im Sommer.

Wenn es abends nicht doch frisch werden würde, man könnte sich nicht vorstellen, dass wir hier schon auf einer Höhe von mehr als 3000 Metern sind, da sollte der morgige Pass keine große Hürde sein. Wir brechen nicht ganz so zeitig auf, es wird hier oben ja auch nicht mehr ganz so heiß, ich denke es werden heute so 28 Grad gewesen sein, zuerst vorbei an der Stelle, wo es im letzten Jahr die Straße weggespült hatee, zu Besuch bei der Familie des taubstummen Jungen, wo wir auch wieder Bilder abliefern. Schon gegen Mittag sind wir in Jelondi, zu früh, auch wenn die heißen Quellen vielleicht verlockend wären, wir wollen heute noch den Pass, zumal auch der Wind, nicht wie im letzten Jahr nicht gegen uns ist. Als es hinter Jelondi in die Serpentinen geht ist der lausige Asphalt dann ganz weg und über 300 oder 400 Höhenmeter geht es dann recht straff mit 10% Steigung nach oben. Hier gibt es noch mal eine ehemalig Straßenstation, wir bekommen Tee und frische Butter und frische Brot angeboten. Reinold rührt die Butter glücklicherweise nicht an, mir schlägt sie recht schnell auf den Darmtrakt und ich markiere dann wohl fast jede zweite Biegung. Über die Holperstrecke kämpfen wir heute nach unserem Mammuttag zum ersten mal wieder ein wenig, aber das Ende naht und wir sind auf einem weiteren Hochplateau, wo genau nun der Koy Tezek Pass mit seinen fast 4300 Metern ist. Natürlich sind wir außer Atem, aber die große Höhe macht sich kaum bemerkbar, unsere ersten Bergerfahrungen seit Taschkent und Duschanbe kommen uns nun zu gute. besonders Reinold hatte sich Sorgen gemacht, da er in ebendieser Gegend schon im Jeep saß mit Zeichen von Höhenkrankheit und heute glücklicherweise gar nichts.

Auf der anderen Seite rollt es dann in ein trockenes Tal hinunter, die Aussicht in alle Richtungen ist grandios, die Weite und die Einsamkeit in dieser Gegend einzigartig und faszinierend, immer wieder anziehend und abschreckend. Die Vorjahreserfahrung nutzend, bleiben wir unten in der Senke am einzigen Wasserlauf und erliegen nicht wieder der Versuchung, den nächsten kleinen Zwischenpass noch vor dem Abendbrot mitzunehmen, denn dahinter kommt für die nächsten 50 Kilometer kein Wasser mehr. Und die Wiese hier unten, fast die einzige hier in der trockenen Eben ist auch sehr einladend. In der letzten Sonne wage ich noch ein schnelles Vollbad im eisigen Wasser, dann werfe ich den Kocher an und koche uns eine leckere Mahlzeit. meist ist es die Standardmahlzeit mit Nudeln-Rot, dazu gebratene Wurst mit viel Zwiebel und Knoblauch, damit es schön warm im Schlafsack bleibt, dazu noch einen schönen dicken Kaffee und dann kann man wunderbar schlafen.

Wundervoll ist es aber noch ein wenig wach zu liegen und durch den offenen Zelteingang in den Sternenhimmel zu schauen, der hier viel klarer und viel näher ist, als bei uns daheim. Wenn man in Berlin die Milchstraße mehr erahnen muss ist das weiße Band hier nicht zu übersehen, ab und zu huscht eine Sternschnuppe nieder, aber im Moment bin ich glücklich uns so verglühen die meisten wunschlos als Grüße aus der Galaxie. Beste Grüße zurück vom Rande unseres Sternensystems, kommt uns mal besuchen, es gibt noch ein paar schöne Ecken auf diesem Planeten.

Auch der nächste Tag ist entspannt, auch wenn sich die Strecke bis Alichur, der nächsten größeren Siedlung elendig hinzieht. Der einzige Wasserlauf unterwegs, den es im letzten Jahr noch gab ist ausgetrocknet, nur in der senke glitzert dunkelblau ein See mit weißen Rändern einer dicken Salzkruste. In Alichur bekommen wir in einer Teestube eine gute, dicke Suppe, dann geht es ganz gemächlich an einem dünnen, klaren Wasserlauf nach oben, ganz gemächlich, immer am Rande einer weiten Ebene entlang und hier bekommen wir heute auch eine Yakherde zu sehen, allerdings bleiben die zotteligen Tiere auf sicherer Entfernung zu uns. Auch heute ist der Pass kaum wahrzunehmen und wir sind wieder 4137 Metern Höhe, bevor es dann abwärts in Richtung Murgab geht. Auf halbem Wege nach unten stoppen wir auf einer wunderschönen Blumenwiese und genießen den Nachmittag in der Sonnen. Nach dem Bad im Fluss kann man sich wieder aufwärmen und noch ein kleines Nickerchen machen, wirklich einer der schönsten Zeltplätze hier auf der Tour, auch wieder direkt an einem klaren und eiskalten Bach. In der Nähe gibt es eine verlassenen Siedlung und so bleiben wir hier den ganzen Abend komplett unbehelligt.

Erst ein paar Kilometer weiter am nächsten Morgen treffen wir wieder auf Leute, diesmal schon auf Kirgisen, die hier ihre Jurten aufgebaut haben, neben ihrer Viehwirtschaft bewirten sie auch noch vorbei kommende Trucker und Radler. Wir bekommen frische Brot und eine Suppe mit Kartoffeln und Lammfleisch, „Schurpa“, eigentlich das einzige Essen, welches hier im Hochland serviert wird. Von hier ist es dann noch ein Katzensprung bis nach Murgab, wo wir schon am späten Vormittag einrollen. Wir kehren wieder im gleichen Guesthouse ein, in dem ich schon im vorigen Jahr abgestiegen war und streunen noch ein wenig durch die „Stadt“. 7.000 Einwohner wohnen hier auf 3.600 Metern Höhe und es gibt sogar ein richtiges Hotel, eine Leninstatue, mehrere recht gut sortierte Läden, ein wirkliches Restaurant mit Plov und Schaschlik und Bier, sowie einen Basar, der aus einer langen Reihe von Containern besteht, also jede Menge zu sehen für einen langen Nachmittag. Abends bekommen wir ein leckeres Mahl in unserer Herberge und können in der extra für uns angeheizten Sauna schwitzen. Auch haben wir heute andere Touristen getroffen, sechs Motorradfahrer aus Konstanz und noch ein weibliches Radlerpärchen aus Holland, die sogar im gleichen Guesthouse wohnen, aber weder gesellig, noch gesprächig sind, nun die Charaktere der Reisenden sind eben verschieden. Interessant ist, dass uns auf der ganzen Strecke niemand mit Rad entgegen kam, wie schon im letzten Jahr stellt sich die Frage warum man immer nur in Chorog und dann später in Osch auf so viele Radfahrer trifft und nur ganz selten auf der Straße. Wie auch immer, das ist eins der unwichtigen Geheimnisse, das nicht unbedingt gelüftet werden muss.

 

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