8. Tag: Dienstag, der 11. Juni 2013

Nach Tadschikistan in doppeltem Anlauf

121 km von Zarbdor zur tadschikischen Grenze und noch einmal 40 km Transfer mit Minibus, flache 300 hm, Sonne bis 37 Grad

Am Morgen sind wir zeitig wach, es wird schon kurz nach vier Uhr hell, aber irgendwie will man doch nicht aus dem kuscheligen Schlafsack und so scheitert auch der zweite Versuch um 5 Uhr loszukommen und es wird wieder 6 Uhr, als wir auf den Rädern sitzen und heute ohne Kaffee.

Auf der kleine Straße fährt es sich heute angenehmer als gestern auf dem Highway, auch wenn es schon von morgens an recht warm ist, aber wir sind eben im Sommer in Zentralasien. Frühstück machen wir heute schon nach 24 Kilometern recht gemütlich in einer Teestube, auch wenn die Sonne dabei noch weiter nach oben steigt. Die Grenze zu Tadschikistan befindet sich in Oybek, doch wo sich Oybek befindet, ist nicht so ganz klar. Die Karte verzeichnet den Grenzübergang nahe der Stadt Bekobod, der Lonely Planet spricht davon, dass sich der Übergang noch 45 Kilometer nördlich davon befindet, die Aussagen der Polizisten, die wir an den gelegentliche Straßensperren befragen, sind widersprüchlich, auch wenn sich gegen Mittag abzeichnet, dass der Lonely Planet wohl recht hat. damit kämen dann noch einmal 80 Kilometer zusätzlich auf den Plan.

Vor Bekobod erreichen wir den Syrdaya, einen der wichtigsten Flüsse Zentralasiens. Den ganzen Tag sind wir schon vielen Hochspannungsmasten gefolgt und hier gibt es jetzt mehrere Kraftwerke, die die Region mit Energie versorgen. Der Fluss selbst ist glasklar und recht kalt und lädt an vielen Stellen zu einem Bad ein, doch wir wollen lieber eine Pause in einer Teestube machen, um die größte Mittagshitze zu überstehen.

Nach einer Suppe und einer Melone und knapp zwei Stunden im Schatten schwingen wir uns wieder aufs Rad. Es gibt sehr wohl einen Grenzübergang bei Bekobod, der ist aber nur den Bewohnern der Grenzregion vorbehalten, der offizielle Übergang befindet sich wirklich 45 km weiter im Norden. es ist schon traurig hier an der Brücke über den Fluss zu stehen und zu sehen, dass auf der anderen Seite sich das Nachbarland befindet und hier einfach nicht rüber zu dürfen, nur weil sich die beiden Völker nicht sonderlich mögen.

Die Usbeken werfen den Tadschiken vor, ihnen systematisch das Wasser abzugraben, die Tadschiken sehen die noch auf Stalin zurück gehende Grenzführung  als nichtig an, weite Teile des heutigen Usbekistans angeblich zu Tadshikistan gehören. Tatsächlich hat Stalin hier ein ordentliches Gewirr auf der Landkarte angerichtet, das usbekische Ferganatal zieht sich wie ein Beule weit nach Tadschikistan hinein und es gibt jede Menge kleiner Enklaven und Exklaven auf beiden Seiten. Da die Politik beider Staaten nicht sehr freundschaftlich ist, hat man dann beschlossen, sich gegenseitig für den Anfang ordentlich das Leben schwer zu machen, zu leiden haben vor allem einfache Leute beider Seiten, deren Familien in den eingeschlossenen Gebieten leben, und riesige Umwege in Kauf nehmen müssen, so wie wir nun auch.

Nach 110 Kilometern in der Hitze bei bis zu 37 Grad sind wir nicht sonderlich motiviert, die 45 Kilometer bis zur Grenze noch zu fahren, in Bekobod wollen wir auch nicht bleiben, da das hiesige, noch aus Sowjetzeiten stammende Hotel keinen Komfort in Form einer Klimaanlage verspricht. In den stickigen Räumen einer Teestube könnte man auch übernachte, aber auch das klingt nicht verlockend. Doro schlägt vor, mit einem Taxi bis zur Grenze zu fahren und dann in Tadshikistan nach einer Bleibe zu suchen. Zwei Minibusse sind schnell aufgetrieben und voll geladen und eine knappe Stunde später stehen wir an der usbekisch-tadschikischen  Grenze. Es ist jetzt 17 Uhr und alles sieht ziemlich ruhig aus, wir tauschen unsere restlichen Sum in Somani. Für einen Euro gibt es fünf Somani, somit hat die Geldschlepperei nun ein Ende.

Eine Stunde brauchen wir für die usbekische Seite, inklusive der nervigen Zollerklärung. Hier muss wieder jeder Euro und jeder Dollar angegeben werden, alles wir mit der Einreiseerklärung abgeglichen. Dann gibt es den Ausreisestempel, nicht ohne dass vorher die Registraturen der Hotels für Buchara und Samarkand vorgelegt werden müssen. Dass wir die letzte Nacht im Freien gezeltet haben, also keine Registratur vorlegen können wird akzeptiert.

Dann brauchen wir noch einmal eine halbe Stunde für die Einreise in Tadhikistan, der Zoll ist hier nicht so bürokratisch, vielleicht auch nur, weil der Bruder des Zolloffiziers irgendwo in Brandenburg bei den Panzern der Roten Armee stationiert war und noch gute Erinnerungen an die DDR hat.

Als wir dann endlich in Tadshikistan sind ist es schon dunkel, aber in 10 Kilometern Entfernung soll es ein Städtchen mit einer Teestube und mit einem Hotel geben. Da kaum Verkehr abends über die Grenze kommt ist die Fahrt im Dunkeln kein Problem und gegen 21 Uhr haben wir die Teestube erreicht. Unter Bäumen gibt es gemütliche Diwane fürs Essen, auf denen man auch hervorragend übernachten kann.

In der Teestube läuft über Beamer fürs nicht vorhandene Publikum ein Film, ich denke, wir sind mit gelegentlichen Blicken, neben dem Besitzer der Teestube, die einzigen Zuschauer des Weltkriegsdramas. Ein deutsche Offizier verliebt sich in eine russische Partisanin. Einige deutsche Wortfetzen, wie „Heil Hitler“ sind nicht synchronisiert und zwingen mich dazu, mich immer wieder der flimmernden Leinwand zu widmen.

 Die Teestube hat auch eine Sauna und so sind wir dann dampfend bereit für ein Nachtessen, dass ich zusammen mit dem Besitzer bereiten durfte. Aus dem Rest seines Rinderfondes  zauberten wir eine nette, dicke Suppe mit Kartoffeln, Möhren, Zwiebeln und viel Knoblauch, danach sind wir ordentlich müde von der Hitze des Tages und der langen Etappe. Da wir so spät angekommen sind, wollen wir dann am Morgen erst einmal ausschlafen, aber auch nicht zu spät los. Wir rollen auf dem Diwan unsere Schlafsäcke aus und zumindest ich falle recht schnell in tiefen Schlaf, nach dem die letzten Schüsse des zweiten Weltkrieges gefallen und die „Heil Hitler!“ Rufe verstummt sind.

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