60. Tag: Dienstag, der 14. Juni 2011

Architekturclash

Ruhetag in Jekatarienburg, wolkig und ein wenig Sonne, kühl bei 18 Grad

Ruhetage sind immer anstrengen, meistens beginnt das mit einem zu üppigen Frühstück, danach ist man gleich wieder schwer müde und möchte ins Bett fallen anstatt Wäsche zu waschen. Dann kommen auch noch die anstrengenden Stadtspaziergänge. Die Millionenstadt Jekatarienburg ist nicht unbedingt schön zu nennen. Zuerst fällt einem eine Moderne ins Auge, die anderen Städten fehlt, dann realisiert man die vielen Grünflächen. Wenn man dann aber genau hinsieht realisiert man den sinnlosen Bauboom. Überall wird gebaut und in irgendeinem Stil, ich glaube die Stadt ist ein Mekka für Architekten, die um jeden Preis auffallen wollen. Die Hälfte aller neu gebauten Gebäude steht leer, man würde schon einen wirtschaftlichen Aufschwung a la China gebrauchen, um hier die Büros zu füllen. Zwischen den Stahl, Glas und Betonfassaden findet man dann selten Schmuckstücke aus alten Zeiten, eine klassizistische Fassade oder eine Kirche mit goldenen Kuppeln oder ein städtisches russisches Holzhaus. Letztere sind aber meist so eingekesselt von der Moderne, dass sie darin untergehen. Natürlich fehlen auch nicht die Jahre des Sozialismus, mitten im Zentrum befindet sich eine große Fabrik mit ihren wunderbar hässlichen grauen Fassaden und Industriedesign. Dahinter dann gleich die Plattenbauten, einige schön renoviert, andere ein wenig angenagt vom Zahn der Zeit, dazwischen immer aber ungepflegt. kein Stück Rasen oder keine Grünfläche, wo nicht irgendwelche Gerümpelhaufen dazwischen liegen, Spielplätze rotten vor sich hin und dahinter gleich wieder eine glitzernde Fassade eines Bürohauses. Also recht viele Widersprüche.

An Sehenswürdigkeiten haken wir heut nur die witzig anmutende Statue von Swerdlowsk ab, der irgendwie aussieht wie das tapfere Schneiderlein.

Nicht zu vergessen hier die Kathedrale auf dem Blut. 1916 wurde der letzte Zar, Nikolaus II hier ermordet, mitsamt seiner gesamten Familie. Mit der Absetzung von Diktatoren habe ich keine Probleme, da gehört das „Rübe ab“ nach Revolutionen einfach dazu, aber das die ganze Familie ausgelöscht wurde, ist dann doch schon sehr heftig. Inzwischen hat man an der Stelle eine Kathedrale errichtet, zwar gibt es in Russland keine Zarewitschs mehr, aber die Anhänger des Zarentums sind noch nicht ausgestorben und halten rund um die Kirche Andenken und Souvenirs bereit.

Langsam trödeln wir vielleicht vier Stunden durch die Stadt, der Verkehr hier ist auch recht dicht und chaotisch, aber wie in allen Teilen Russlands, die wir bisher kennen gelernt haben, sind die Autofahrer mehr als höflich zu Fußgängern. Man hat die Straße kaum betreten halten alle an und es versucht nicht mal jemand noch schnell vorbei zu kommen. Wenn die Russen sich die gleiche Höflichkeuit auch Radfahrern gegenüber angewöhnen würden, dann würde ich vielleicht doch hierher umsiedeln wollen.

Einen Kommentar schreiben