54. Tag in Hanoi- Freitag, der 18. Juni 2010

Eine Bahnfahrt in Richtung Meer

Peter möchte ans Meer und auch ich will einmal raus aus der Stadt. Schon am Donnerstag packe ich unsere Siebensachen in einen kleinen Rucksack und hole heute Peter schon Mittag aus der Kita ab. Zu meinem Erstaunen ist Peter erst einmal gar nicht begeistert: „Dus sollst mich doch ganz spät abholen!“ Aber das Argument mit der Eisenbahn zieht und so sind wir 15 Uhr auf dem Bahnhof. Hier treffen wir gleich noch ein paar meiner Schüler, die zu ihren Familien aufs Umland fahren.

Im Internet waren keine Infos zu Fahrplänen und Zeiten zu finden und auch dem Hauptbahnhof Hanoi, macht jeder Dorfbahnhof im hintersten Mecklenburg-Vorpommern noch Ehre- ein Gleis und ein Bahnsteig, die Wartehalle 50 Quadratmeter, keine Ventilatoren, glühend heiß. Die Ansagen macht draußen die Verkäuferin vom Getränkestand, Fahrkarten hatte ich gestern schon besorgt.

Nach Haiphong, wohin wir wollen sind es 100 Kilometer, der Zug braucht dafür knappe drei Stunden, es gibt zwei Klassen, wir fahren erster Klasse mit jeweils zwei Sitzen nebeneinander, gepolstert.

Viel Volk ist unterwegs, aber das Platzkartensystem verhindert Chaos und so sind nur so viele Leute im Wagon, wie dieser Plätze hat. Nach 10 Minuten wird die Ventilation angeworfen und es wird fast erträglich.

Zuerst tuckert der Zug mit 10 km/h durch die Stadt. das Gleis ist mehr als marode und vom Zug kann man in Wohn- oder Schlafzimmer der Leute sehen. Dann hält der Zug noch einmal an einem anderen Hanoier Bahnhof und die letzten freien Plätze füllen sich, dann geht es langsam aus der Stadt heraus. Viel schneller wird der Zug auch nicht und bei angenehmeren Temperaturen ist Bahnfahren in Vietnam ein echtes Vergnügen.

Die Fahrt ist angenehm, es gibt viel zu sehen und ich lerne die am nahe liegendsten Vokabeln: Papaya, Banane, Reisfeld, Bauer, Traktor, Wasserbüffel, Rote Fahne und Kuh.

Haiphong ist angeblich die drittgrößte Stadt im Lande mit 600.000 Einwohnern. Doch alles mutet provinziell an. Der Bahnhof hat schon etwas größere Formate, es gibt von so einer Art Bahnsteige schon drei oder vier und ein paar Güterwagen stehen auf Nebengleisen herum. Haiphong hat einen Hafen und die Güter müssen ja dann auch bewegt werden. Der Taxifahrer zum Hotel möchte dann gleich mal den zehnfachen Preis, bekommt er aber nicht, nachdem ich mich einfach achselzuckend rumdrehe und daran mache ohne zu bezahlen zu gehen, kehrt dann doch sein Realitätssinn zurück.

Nach der Dusche ist es schon wieder dunkel, wir sind auch wie erschlagen und suchen uns nur noch ein Restaurant. Zum Chinesen möchte Peter nicht, also gehen wir zum nächsten Laden, ein Thailänder, kombiniert mit einer Pizzeria. Also bekommt Peter eine fette Pizza (leider mit amerikanischem Backpulverteig und nicht mit Hefeteig) und ich vergnüge mich mit einem Grünen Curry Seafood. Endlich einmal wieder etwas Chili am Essen. Das vietnamesische Essen war zwar bisher recht angenehm, aber ab und zu brauche ich dann doch etwas mehr Feuer im Körper.

Während des Essens rollt der Fußball, Serbien gegen Deutschland und es sieht eher aus wie Grammatikunterricht, denke ich schmunzelnd, die Deuteschen spielen vor dem Tor und schießen neben das Tor, über das Tor und am Tor vorbei, aber nicht in das Tor. Nach der roten Karte und dem serbischen 1:0 fällt glücklicherweise der Strom aus und so brauche ich das Trauerspiel nicht bis zum Ende anzusehen.

Das Hotelzimmer für 20 Euro ist in Ordnung, bloß die Klimaanlage lässt sich nicht ordentlich regulieren und so muss ich aller halbe Stunde ein und ausschalten, bevor ich dann endlich einschlafe. Morgen geht es dann also an die Eroberung der Provinzmetropole, laut Reiseführer gibt es zwar kaum Sehenswürdigkeiten, aber das heißt ja noch gar nichts.

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