1.Tag: Beijing zu Fuß

Langer Spaziergang in der Hauptstadt

Gegen 10 Uhr stehe ich gemütlich auf, ich denke nun bin ich einigermaßen akklimatisiert und habe die Zeitverschiebung hinter mich gebracht. Auf meinem Programm steht eine große Runde durch die Stadt, um ordentlich zu fotografieren. Ich starte gleich ohne Frühstück und ziehe ein wenig durch die Hutong im Zentrum der Stadt, Hutongs sind die Wohnviertel mit den traditionellen Wohnhöfen. Nachdem in den 90er Jahren diese Viertel massiv abgerissen und durch Zweckneubauten ersetzt worden, fand vor Olympia ein großes Umdenken statt und so sind die ehemals mitunter sehr runtergewirtschafteten Viertel größtenteils saniert worden. Zwar gibt es in den meisten der kleine Höfe keine Toiletten, aber das öffentliche Toilettensystem wurde massiv modernisiert, aller 300 m findet sich nun ein stilles Örtchen und sie werden sogar recht gut in Ordnung gehalten. Das war vor zehn Jahren noch ganz anders und ein Toilettenbesuch in den frühern 90er Jahren war jedes Mal ein großes Abenteuer.

Der Hou Hai, der hintere See, eine Flaniermeile für vor allem für Beijing mit zahlreichen Restaurants und abendlichen Bars ist komplett zugefroren. Allerlei buntes Volk treibt sich nun auf dem Eis herum, auf Schlittschuhen oder auf Schlitten. Fahrradschlitten sind in diesem Jahr der neueste Schrei. Die Eisfläche ist voller Menschen, denn es ist ja auch nicht mehr so kalt, wie vielleicht vor zwei Wochen, die Temperaturen liegen nur knapp unter dem Gefrierpunkt.

Vom Houhai fahre ich mit dem Taxi zum Qian Men, dem Vorderen Tor am südlichen Ende des Tiananmen Platzes. Hier ist das gesamte Viertel aus Häusern der 70er und 80er Jahre wieder abgerissen worden und man hat ein modernes Beijing mit pseudo-alten Häusern im chinesischen Stil nachgebaut. Längst ist nicht alles fertig, und ab und zu trifft man auf Bauzäune und dahinter liegt nur noch urbane Wüste, aber ich denke in zwei Jahren wird auch die Komplettsanierung dieses Viertels abgeschlossen sein. Glücklicherweise beginnt in den Nebenstraßen auch das kleine Geschäftsleben wieder aufzublühen. Nach dem Abriss des Viertels war auch der Seidenmarkt mit viel Kitsch, Souvenirs und gefälschten Waren verschwunden, ebenso wie viel kleine Beijinger Restaurants, aber die haben jetzt alle in den Nebenstraßen wieder einen Platz gefunden und so ist es interessanter durch die schmale Parallelgasse zu ziehen, als die Flaniermeile entlang. Fotos mache ich jede menge und besonders gelungen ist der Straßenkehrer, der mir sein sympathischstes Lächeln gibt oder auch die Gasse im Hutong mit der demolierten halben Schaufensterpuppe auf dem Vordach.

Der Tiananmen Platz ist immer einen Spaziergang wert. Für mich nicht mehr wegen des Mao Mausoleums und der Stalin Architektur drumherum, sondern wegen der vielen chinesischen Touristen, die sich hier versammeln. Für den Bauern aus der hinterletzten Provinz ist so ein Beijing besuch schon fast wie eine fahrt nach Mekka für die Moslems und ein Foto auf dem Tiananmen Platz gehört in jedes Fotoalbum.

Vor dem Tor des Himmlischen Friedens ist wie immer auch großer Rummel hier klicken sich die Fotohandy heißer und so mancher hat für den Pekingurlaub vorher noch in eine digitale Kamera investiert und auch hier trifft man die große und die kleine Welt, auf der einen Seite Touristen aller Herren Länder und Chinesen aus dem ganzen Land, Mönche aus Tibet und Uiguren aus dem fernen Xinjiang, Businesschinesen und alte Revolutionskämpfer im Rollstuhl.

Von dort steige ich dann in die U-Bahn und fahre zu den olympischen Sportstätten, 2008 war ja schließlich keine Zeit dafür. Das Nationalstadion, Birds Nest, ist schon beeindruckend anzusehen, der Watercube hat nach etwa knapp zwei Jahren schon den Charme einer Provinzschwimmhalle. Dann reicht auch bald das Licht nicht mehr für Fotos und es fängt kräftig an zu schneien. Mit der U-Bahn geht es weiter nach Wudaokou, hier wohnt eine alte Freundin aus Polen, die ich in ihrer neuen Wohnung besuche, gemeinsam sind wir dann bei einer chinesischen Familie mit ein paar Studenten zum Essen eingeladen. Gekocht wurde nicht, aber dafür wurde das Essen dann aus dem Restaurant gegenüber geordert und nach knapp 15 Minuten steht dann auch schon der Bote vor der Tür. Orderservice gibt es auch fürs Bier und der Aufpreis zum Supermarkt ist höchtens 15 %.

Bis 23 Uhr haben wir dann die gerichte verputzt, den Hund mit Bier schläfrig gemacht und uns auch. Da ich die letzte U-Bahn nicht mehr schaffe fahre ich mit dem Taxi durch die halbe Stadt zurück ins Hotel, für knappe 4 € ist das doch recht erschwinglich. Dann geht es schnell noch unter die Dusche und rasch ins Bett, denn um sechs Uhr morgens klingelt der Wecker dann schon wieder.

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