Samstag, 9. August 2008, Beijing der dritte Tag: „Kaufhaus des tausendfachen Glücks“

Eigentlich sollten wir mehr Zeit für die Stadt und die Spiele haben, vor allem nach der Wärme und Begeisterung, die wir gestern gespürt haben, aber morgen geht halt für die meisten der Flieger nach hause und so gibt es noch viel vorzubereiten. Nach dem imposanten Frühstücksbuffet geht es daher erst einmal in den Radladen, wo die Räder dann auch bleiben und zum Transport verpackt werden.

Danach geht es zum „Kaufhaus des tausendfachen Glücks“, wie ich den Hongqiao Markt am Himmelstempel nenne, denn hier gibt es wirklich ALLES zu kaufen was man braucht oder nicht. Unten ist die Abteilung mit den gefälschten Uhren und Sonnenbrillen, chinesischer Elektronik, i-Pods zum halben Preis und Pseudo Markenunterwäsche und Kitsch.

Im ersten Stock gibt es dann Klamotten in allen Varianten, Outdoor Sachen, Seidenkleider, Jeans aller Marken, Koffer und Taschen. Bei einer Gucci Tasche bleibe ich hängen, die hat genau die richtige Größe für mein Fahrradwerkzeug und so nehme ich die Tasche für 8 € mit und bin dann wohl der einzige Reiseleiter mit einer Gucci-Werkzeugtasche, frage mich aber, ob der Namensgeber mit einer solchen Verwendung glücklich wäre.

Im dritten Stock strahlen die Augen unserer Damen, Perlen und Schmuck gibt es hier in allen Variationen und weiter hinten gibt es antiken und pseudoantiken Kram.

Ich pilgere noch einmal durch die Etagen und besorge mir zwei neue Sonnenbrillen, denn auf dieser Tour habe ich ja sieben Brillen verloren oder demoliert und so bin ich froh, dass ich für die Kopien hier nur 4 € bezahle und nicht 120 €. Weiterhin finde ich einen schönen Windstopper und eine Sommerhose für den Thailand-Urlaub, den ich mir redlich verdient habe.

Im zweiten Kaufhaus gibt es Spielsachen und Schreibwaren, aber das hebe ich mir für später auf, da muss ich bei meine Profis noch einmal nachfragen, was gewünscht wird. Wieder einmal werde ich daran erinnert, dass ich zu hause sehnsüchtig erwartet werde und ich freue mich darauf, mit meinem Sohn Badminton zu spielen, meiner Tochter die Fingernägel zu lackieren und mit Peter im Sandkasten zu buddeln.

Für den Himmelstempel bleibt dann keine Zeit mehr, sondern ur noch für die dusche im Hotel, dann geht es schon wieder zum Abendessen. Auf dem Heimweg stoppe ich noch in einigen Lokalen und entscheide mich dann für ein Alt-Beijing-Restaurant, wo ich drei Tische bestelle.

Halb acht rücken wir dann alle pünktlich im Restaurant ein und es wird ein großartiges Essen. Entenleber, Weißkohl in Senfsoße, Shrimps mit chinesischem Schnittlauch, Lammfleisch in Kreuzkümmel sind einige der Highlights und dann wird es Zeit noch ein paar Worte zum Abschuss zu sagen.

Im Februar sind wir alle in Athen gestartet und wir sind vor drei tagen in der gleichen Besetzung hier in Beijing eingerollt. Knapp 14.000 Kilometer und mehr als 100.000 Höhenmeter liegen hinter uns. Zwischen 2 und 12 Kilo Gewicht haben unsere Teilnehmer verloren und im Schnitt hatte jeder fünf oder sechs Plattfüße, unserem Plattfußkönig ging 11 Mal die Luft aus dem Reifen und auf der anderen Seite steht Marlies mit nur einem einzigen Platten. Größere Defekte an den Rädern gab es nicht, wir haben einmal Kette und Block gewechselt und es gab einige Stürze. Uli war deshalb einen Monat nicht bei uns und Rene eine Woche auf dem Bus. Zum Schluss haben fast alle jeden Tag Helm getragen, sogar ich und das, obwohl es heiß war.

Wir hatten viele harte Tage und grandiose Landschaften, Begegnungen mit freundlichen Menschern aller Länder, die wir durchfahren haben und es gibt kein Erlebnis, das so schrecklich war, als dass man die Reise nicht noch einmal machen würde. Mit Bestürzung lesen wir in den letzten Tagen im Internet über den Krieg Georgien gegen Südossetien und das Luftangriffe auf Tiblissi bevorstehen, auf die Stadt, die uns so beeindruckt hat.

Länder und Regionen haben wir erlebt, die andere auf der Landkarte nicht einmal zeigen können und wir werden wohl für den Rest des Lebens mit diesen Regionen verbunden bleiben, auch wenn später nur Katastrophennachrichten es bis in die deutschen Medien schaffen werden.

Wir haben uns gestritten und vertragen, wir haben miteinander geschimpft und uns geärgert, aber auf dem Platz des himmlischen Friedens sind wir uns in die Arme gefallen. Für alle war die reise ein Erlebnis, von dem man noch viel Jahre zehren wird und das noch eine Weile brauchen wird, bis man überhaupt alles nur halbwegs verarbeitet hat.

Jeder von uns hat viel gelernt, über Länder und Traditionen, über Geschichte und Religion, aber auch an sozialen Qualitäten gewonnen, wer hätte von Anfang an gedacht, welche Probleme das tägliche Beisammensein mit sich bringen würde.

Heute nun unsere letzten Biere zusammen und sie Stimmung schwankt zwischen euphorisch und traurig und so geht es auch mir. Auf der einen Seite habe ich nicht das Gefühl, dass diese Reise jemals hätte zu Ende sein können, auf der anderen Seite fühle ich eine unendliche Müdigkeit und freue mich auf meinen Thailandurlaub, in dem ich absolut nichts machen werde, oder doch vielleicht schon wieder die nächste Reise planen.

Gegen 23 Uhr kehrt uns dann die Besatzung des Restaurants hinaus und wir verabschieden uns noch einmal mit vielen Umarmungen vor dem Hotel, denn ab morgen gehen wir wieder getrennte Wege. Ein Teil der Gruppe fliegt nach Hause, ein paar Leute bleiben noch in Beijing und andere fahren mit der Transsibirischen Eisenbahn zurück.

 

 

 

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