Mittwoch, 23.April 2008, von Abiwerde bis Wüstencamp hinter Tedzhen, 137 Kilometer, 247 Höhenmeter: „Stiche von allen Seiten“


Der Tag beginnt so wie der letzte endete, gegen halb sieben geht die Sonne als glühend roter Ball am Horizont auf. Wir packen unsere Siebensachen zusammen und frühstücken. Ich muss mich für die Zeltübernachtungen langsam wohl oder übel ans Müsli gewöhnen, auch wenn der lauwarme Brei mit Milch nach nichts schmeckt und im Mund immer mehr wird, ich kann wirklich nicht verstehen, wie man dem etwas abgewinnen kann, aber es ist zumindest sehr gesund.

Viel zu sehen gibt es heute nicht in der Wüste, neben der Straße verläuft die Eisenbahn und ab und zu zieht ein schwer beladener Güterzug langsam an uns vorbei. Da es keinerlei Berge oder Steigungen gibt zieht hier eine Lok bis zu 80 Waggons. Auch ist es nicht ganz trocken, am Vormittag tangieren wir zwei Mal den Karakorumkanal, der für ein bisschen Grün in der Umgebung sorgt. Ich borge mir zur Abwechslung einen i-Pod und höre zwei Stunden Musik beim Radeln, auch etwas, was ich sonst nie tue, aber hier bei den langen geraden Strecken kann es schon ganz angenehm sein im Gitarrenrhythmus von Bob Dylan vor sich hin zu fahren. Nach zwei Stunden gebe ich das Gerät wieder zurück und hänge meinen eigenen Gedanken nach. Da es nur eine Straße gibt, fahren wir heute völlig frei und unabhängig, verloren gehen kann auch niemand und hier in Turkmenistan gab es bisher auch nur wenige Plattfüße, da alle ganz vorsichtig sind und nicht tiefer in die Wüste fahren, wo jede Menge sehr dorniges Gestrüpp wechselt, dass geradezu auf einen Reifen wartet, um ihn zu durchstechen.

Mittag gibt es am Straßenrand an einem kleinen Kanal, so dass man sich hervorragend die Füße kühlen kann, denn inzwischen sind es knapp über dreißig Grad und die Sonne zeigt, was sie kann. Als ich meine Schuhe ausziehe und auf unseren Teppich treten will, der uns als Ruheplatz und Mittagstisch dient trete ich auf einen Dorn, zum Glück nicht mit voller Kraft, denn sonst hätte sich das Prachtexemplar von Stachel gute vier Zentimeter in meinen Fuß gebohrt, aber es ist trotzdem unangenehm und ich spüre den Schmerz noch einen Tag später.

Die kleine Stadt Tedzhen durchqueren wir in Kolonne, nachdem wir eine Teestube mit kalten Getränken gefunden haben und danach geht es durch bewässertes gebiet. Links und rechts der Straße sind oft große Wassergräben mit Schilf, aus dem Vogelgezwitscher und Froschquaken ertönt. Eigentlich wollten wir nur 5 oder 6 Kilometer hinter der Stadt ein Zeltlager suchen, aber die Straße ist endlich einmal wieder in einem super Zustand, der Wind bläst von hinten und es ist noch gar nicht so spät. Eigentlich ist es beim Radfahren am angenehmsten, denn wenn man stehen bleibt, erschlägt einen die Hitze fast. Also fahren wir noch gute 20 Kilometer weiter, bis wir wieder an einen großen Kanal kommen, dahinter ist eine Teestube, aber es gibt leider keine kühlen Getränke und die letzten sechs Bier haben die zuerst Angekommen schon weg getrunken. Unsere Zelte bauen wir auf den wenigen Stellen, die gerade und glatt sind, hinter der Teestube auf. Überall ist Dornengestrüpp, das in die Waden piekst und sticht. Wir müssen vorsichtig sein mit den Fahrrädern und mit den Isomatten und natürlich mit den Füßen. Ata warnt uns, die Zelte nicht zu weit weg aufzubauen, es sei Schlangensaison und es gebe immerhin vier giftige Sorten, ach ja und Skorpione laufen hier auch manchmal herum.

Kühlende Erfrischung bringt ein Bad in dem nahe gelegenen Ausläufer des Karakorumkanals, soll der Aralsee doch austrocknen, wir kommen hier zu einem wunderbaren Bad.

Während die Sonne langsam an den Horizont wandert und die Küchenmannschaft beginnt, den Plow für heute Abend zu kochen beginnt die nächste Invasion. Abermillionen ausgehungerter Moskitos aus den Tümpeln in der Umgebung haben nur darauf gewartet, über uns 17 Radfahrer herzufallen. Pullover und lange Hosen helfen nicht viel, die Viecher beißen einfach durch. Heino packt seine Spezialausrüstung für solche Fälle aus, einen Hut mit Moskitonetz, Skandinavien erprobt. Ich ziehe mir meine Regensachen an, denn die ist nicht nur wasserdicht, sondern auch stichfest.

Da der Besitzer der Teestube immer noch keine Kaltgetränke und Bier besorgt hat und der Moskitoansturm noch andauert, verschwinden alle relativ zeitig in die Zelte.

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