Sonntag, 20. April 2008, Wüste bei Bamt nach Aschchabat, 161 Kilometer, 295 Höhenmeter: „Sonntagsflug in die Hauptstadt“

Mehr Radler als gestern Abend geplant wollen die gesamte Strecke bis nach Aschchabat durchfahren, deshalb raschelt es schon kurz vor sechs in den meisten Zelten. Ich werfe den Kocher für Tee an und es gibt ein schnelles Müslifrühstück, dann heißt es schnell noch Zelt einpacken, Zähne putzen und mit dem Spaten in die große Wüstentoilette und wirklich wir kommen kurz nach sieben los. Die Wüste hat sich an uns genug ausgetobt und die Sonne strahlt uns entgegen, ein wenig trüb, aber immerhin. Es weht ein laues Lüftchen und zwar von hinten!!! Wer hätte so etwas gedacht.

Da wir dem Frieden noch nicht trauen treten wir ordentlich in die Pedale. Wer weiß, wie lange wir solches Glück haben. Wir wechseln uns vorne ab und ziehen mit 28 Kilometern los, manchmal zeigt der Tacho auch mehr als dreißig. Nach dreißig Kilometern ist dann auch Schluss mit der Schlaglochpiste, eine neu gebaute Autobahn erwartet uns und nun gibt es kaum noch ein Halten mehr. Wir fahren nicht nach Aschchabat, sondern wir fliegen.

Die Wüste ist nicht mehr so wüst, wie in den letzten Tagen, wir kommen in die Nähe des Karakorumkanals und deshalb liegen links und rechts der Straße Felder mit Getreide oder Baumwolle. Immer öfter kommen wir an größeren Dörfern vorbei oder durchqueren eine kleine Stadt. Die Polizei hält uns die Autofahrer vom Halse und wir erleben wunderbares Radfahren. 45 Kilometer vor Aschchabad, in Geok-Tepe schalten wir dann runter und gehen in ein kleines Lokal, dort gibt es leckere Mantui, gefüllte Teigtaschen und Suppe dazu, eine gute Mittagstärkung nach dem 120 Kilometer Ritt hierher, wer hätte gedacht, dass wir so schnell sein können. In dem kleinen Lokal belegen wir einen Raum mit flachem Tisch und Teppichen und das lädt natürlich zu einem kurzen Mittagsschlaf ein. Geweckt werden wir durch Eckhardt, der heute gern allein fahren wollte und unsere Räder gesehen hat, er schaut kurz rein und radelt gleich weiter, noch bevor ich ihm die Hoteladresse sagen kann.

Hatten wir bisher in Turkmenstan noch keine Moschee gesehen, fahren wir auf dem Weg in die Stadt gleich an drei riesigen Prachtbauten vorbei, einer größer als der andere. Auf einem Parkplatz an der Straße vor einem Denkmal sehen wir eine tanzende Menschenmenge. Wir biegen ab und sehen uns das an, eine Hochzeit ist hier im Gange, einer spielt Akkordeon, ein weiterer Mann schlägt eine Trommel und ein Dritter spielt ein Blasinstrumnet. Langsam bewegt sich das Brautpaar durch die tanzende Menge. Von der Braut ist nicht sehr viel zu sehen, sie ist von oben bis unten in prächtig geschmückte Gewänder verpackt und kann nur winzige Tippelschritte machen. Der Bräutigam trägt einen westlichen Anzug. Nach 5 Minuten ist alles vorbei, denn das Braupaar steigt ins geschmückte Auto, die Gäste in andere Fahrzeuge und alle brausen laut hupend von dannen.

Am Ortseingang wieder eine riesige Moschee und ein Mausoleum, alles mit goldenen Kuppeln und Türmchen und so prächtig wie das Taj Mahal in Indien für den Turkmenbashi, den ersten Präsidenten des unabhängigen Turkmenistan Saparmurat Niyazov. Der Hang zum Personenkult ist nicht zu übersehen. Die Bilder des jetzigen Zahnarzt-Präsidentenstehen im ganzen Lande an jeder Ecke. Vor dem Gebäudekomplex viel Armee und Bewachung und Springbrunnen, nur an Menschen mangelt es. Ähnlich sieht es auf der Prachtavenue aus auf der wir nun ins Zentrum radeln, gigantische Gebäude im orientalischen Stil, mit Kuppeln und Türmchen, viel Gold und riesigen Springbrunnen davor sind hier in den letzten zehn Jahren errichtet worden. Alles erscheint ein wenig wie in einem futuristischen Film, doch dafür wird morgen noch Zeit sein, jetzt ruft erst einmal die Dusche. Vorher gibt es noch ein „schmutziges Bier“ und dann sind auch alle da, bis auf Eckhardt, der wohl eine andere Route in die Stadt genommen hat. Ich informiere die Traffic Polizei, die uns begleitet hat und nach knapp zwei Stunden trifft auch er im Hotel ein, die Polizei hat ihm das Hotel nennen können und so sind wir zum Abendessen wieder alle vereint.

Eine Reaktion zu “Sonntag, 20. April 2008, Wüste bei Bamt nach Aschchabat, 161 Kilometer, 295 Höhenmeter: „Sonntagsflug in die Hauptstadt“”

  1. Heidebreck Rainer

    Lieber Tom,

    schön, daß ihr wieder im Internet aufgetaucht seid, fleißig, fleißig!
    Die Wüste scheint ja wirklich so zu sein, wie es der Name verspricht….. aber so eine Nacht unterm (Himmels) Zelt, brüllende (und sich vielleicht gar paarende) Dromedare im Hintergrund, wenn da nicht Fernweh (und Bewunderung) aufkommt!
    Eine Feinheit: handelt es sich bei dem „schmutzigen“ Bier, von dem Du wiederholt berichtest, nicht um das, von Helga erfundene, „dräckige“ Bier?
    „Schmutzig“ ist in diesem ZUsammenhang nämlich nicht schmutzig genug, sondern es ist „dräckig“ – und zwar mit „ä“ – erst das ist echter Schmutz!
    Morgen geht es auf eine Griechenland-Radtour über die Ionischen Inseln – im Vergleich zu eurer (Gewalt)Tour, eher ein Alt-Herrren und Alt-Damen Unternehmen. Am Sonntag erwartet unsere Gruppe auf Korfu(hoffentlich) ein gegrilltes Osterlamm mit viel Krassi (Wein) – aber das brauche ich Dir wohl nicht zu übersetzen.
    Die Gruppe wird an euch denken, denn Helga ist den meisten wohlbekannt. Wir haben sie sozusagen nur mal kurz hergeliehen….
    Also immer weiter (ganz gleich, was die Dromedare treiben)! Ich (wir) drücken den härteren Radkam´raden weiterhin den Daumen und fühlen uns alsbald mit euch noch mehr verbunden…..

    Der Radkam´rad Rainer, alias heifisch

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