Samstag, 23.2. von Livadia nach Delphi, 99 km, 2034 Höhenmeter:“Das Symposium zu Delphi“

Heute war der bisher anstrengendste Tag der Tour, obwohl wir zeitig losgefahren sind, kamen wir erst im Dunkeln in Delphi an und auch die Stimmung in der Gruppe war mies, einige unzufrieden mit sich selbst, einige unzufrieden mit dem langen Tagesprogramm, so dass wir am Abend vor dem Essen eine kleine Konferenz einberufen haben, um diese Probleme zur Sprache zu bringen und zu klären.

Schon von Anfang an war klar gewesen dass es ein harter Tag werden würde und so sind wir dann nach zeitigen Frühstück losgefahren und es ging dann auch sehr gut einen langen Pass hinauf, ein klassischer Pass mit schönen Serpentinen, grandioser Aussicht auf die umliegenden schneebedeckten Gipfel und die Ebene mit ihren Pistazien und Pinienhainen, allerdings auch mit Anstiegsrampen bis zu 14% Steigung und die machten so einigen stark zu schaffen. Oben angekommen waren jedoch alle erst einmal glücklich, aber wir haben eben viel zu lange für die nicht einmal 10 Kilometer gebraucht.

Bis zum Mittag ging es dann weiter auf und ab und gegen 14 Uhr nach einem weiteren heftigen anstieg erreichen wir das wunderschöne Osias Loukas Kloster. Neben der inzwischen zur guten Gewohnheit gewordenen üppigen Brotzeit gab es noch eine Einführung von Jorgos in byzantinische Kirchenbaukunst und Ikonenmalerei. Nach dem Mittag stiegen dann vier unserer Leute aufs Fahrzeug um, denn es ging weiter bergauf, diesmal zwar nicht steil, aber auch wieder lang und stetig, doch werden wir durch einen grandiosen Ausblick aufs Meer belohnt. 700 Meter unter uns liegen Buchten mit Schiffen und eine kleine Stadt, wie Spielzeug aus einem Baukasten in einer umwerfenden Landschaft. Und in diese stürzen wir uns dann auf der gut ausgebauten vierspurigen Straße und fahren bis hinunter ans Meer und wir wissen, dass wir fast die gleiche Distanz wieder hinauf müssen. Und es ist schon 17 Uhr als wir in die Heiligen Olivenhaine von Kirrha einbiegen, eine weite Talsohle mit hunderttausenden alten und knorrigen Ölbäumen, zwischen denen sich ein schlecht asphaltiertes und manchmal nur geschottertes Band windet. Über dem Meer steht die untergehende Sonne und wenig später können wir nur noch die gespenstischen Umrisse der Baumveteranen wahrnehmen. Wir fahren wieder einmal im Dunkeln und die Landschaft ist fast schon unheimlich, jedes Geräusch lauter als normal und auf dem Weg gibt es tiefe dunkle Löcher, die wir im Licht der Stirnlampen meist erst im letzten Augenblick wahrnehmen. Ab und zu tauchen paarweise grüne Leuchtpunkte am Rande des Weges auf und wenn man die Lampe auf sie richtet erkennt man den emotionslos wiederkäuenden Kopf einer Kuh. Dann steigt die Straße stark an und windet sich in engen Serpentinen und Schleifen den Berg hinauf. Schleife um Schleife, Serpentine um Serpentine schleichen wir den unheimlichen Pfad hinauf und sind irgendwann dann endlich oben angekommen an der Hauptstraße, wo hinter der nächsten Biegung der Straße die ersten Lichter der Stadt Delphi auf uns warten. Dort dann noch einen letzten Anstieg, vor uns ein Kirchplatz und ein schönes Gebäude, das Hotel? Nein, die Polizeistation; Yorgos ist immer wieder für eine Überraschung gut. Wir parken die Räder vor der Polizeistation, da es im Hotel keine Garage oder einen Keller gibt und Fahrraddiebstahl auch in Griechenland nicht unbekannt ist. Bis zum Hotel sind es dann noch 5 Minuten zu laufen, bis wir endlich unter die warme Dusche dürfen. Eckhardt sprach mich darauf an, dass in der Gruppe einige Teilnehmer unzufrieden seien mit den langen Tagesetappen und den vielen Höhenmetern und so bereite ich mich unter der warmen Dusche schon einmal auf eine Diskussion vor. Beim Abendessen soll dann jeder ein kurzes Statement zu den bisherigen Etappen abgeben, die nur ihn treffen. Die alten Griechen bezeichneten so etwas als Symposium, es gab eine begrenzte Redezeit zu einem Thema und es wurde dabei je nach dem Gegenstand der Diskussion mehr oder weniger getrunken. Bei unserem Symposium, dass allerdings im Sitzen und nicht im Liegen stattfand, zeigte sich, dass unsere trainierten Teilnehmer keine Probleme mit dem Ablauf haben und diejenigen, die aus unterschiedlichsten Gründen kaum Zeit zur physischen Vorbereitung hatten, unzufrieden waren. Doch ich denke, ich konnte unsere Leute noch einmal daran erinnern, dass unser gemeinsamer Plan heißt, nach Beijing zu kommen und, dass allen klar sein müsse, dass es ein mitunter schwerer und anstrengender Weg wird. Natürlich werden wir uns auch als Gruppe entwickeln und unsere überflüssigen Pausen und Wartereien reduzieren werden, allerdings wird auch das noch einige Zeit brauchen. Auch Volker erinnert noch einmal daran, dass wir ja keinen Wettkampf veranstalten und auch immer das Fahrzeug zur Verfügung steht und auch andere Globetrotter mitunter vom Plan abgewichen sind und einen zusätzlichen Ruhetag eingelegt haben. Das ist zwar bei uns nicht möglich, aber ein Tag im Bus zerstört ja nicht das gesamte Konzept, denn dafür haben wir diesen ja dabei. In Gedanken bedanke ich mich bei den Göttern des Olymps, die uns seit dem ersten Tage nur Sonnenschein bescherten, denn wenn es zu unseren beiden Marathonetappen zusätzlich auch noch geregnet hätte, wäre keine auch noch so gute Motivationsrede in der Lage gewesen, die Stimmung in der Gruppe wieder gerade zu rücken; und ich nehme mir vor morgen das Orakel von Delphi nach den Wetteraussichten zu befragen, da wieder einmal kein Internet zur Verfügung steht.

 

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