Archiv: 2011 Transeurasien

67. Tag: Dienstag, der 21. Juni 2011

Dienstag, den 21. Juni 2011

Dauerregen II und Plattfußprinzessin Mirjam

Von Sawodoukamsk nach Golyshmanovo, 127 Kilometer durch den Dauerregen und mal wieder Plattfüße, 244 hm, leichter Rückenwind bei 14 Grad

Auch regnet es gleich wieder am Morgen. Trotz der Bitte nach Milchreis ist um 7 Uhr nichts vorbereitet und es soll dann noch einmal eine halbe Stunde dauern. Alternativ bekommen wir Haferbrei mit Milch angeboten. Mit viel Zucker bekomme ich das Zeug auch runter und es füllt auch den Magen.

Gleich am Morgen stöpsle ich mich an dem MP3 Player, ich habe mich schön warm eingepackt und dann geht es wieder raus in die Einöde. Wieder geht es durch unendliche dunstige Weite. Der Verkehr ist glücklicherweise seit Tjumen nicht mehr so straff, so dass man gedanklich nicht mehr ständig bei den eng vorbei blasenden Trucks sein muss. Und gegen Mittag hört es dann sogar ganz auf mit Regen und es sind nur 13 Kilometer bis zur Mittagspause. Also drehe ich seit langem wieder einmal voll auf und ziehe von dannen und bin recht schnell an der diesmal recht modernen Raststätte, schade, dass wir nicht hier bleiben können, denn an der Tür prangt ein W-lan Schild. Internet hier mitten in der Einöde, während der Rest des Landes noch recht weit von technischen fortschritt entfernt ist. Als Reisender hat man ja gute Gelegenheit hier verschiedene Länder zu vergleichen. China ist internettechnisch ein Paradies, hier gibt es in fast jedem Hotel freies Internet, auch wenn der ort noch so klein ist. Vietnam war ebenfalls eine positive Überraschung, auch hier findet man oft in winzigen Hotels in kleinen Orten noch eine Verbindung. in Laos ist man bemüht, aber das Netz ist oft rech langsam. In Burma gibt es langsam Fortschritte, aber seit den Unruhen vor zwei Jahren ist der Datenfluss so gedrosselt worden, dass man kaum arbeiten kann. Aber Russland ist wirklich der absolute Tiefpunkt.

Nach 10 Minuten ist von der Truppe nichts zu sehen, also drehe ich mein Rad und strampele gegen den Wind zurück, noch einmal 7 Kilometer, dann treffe ich die anderen. Miriam hat einen Plattfuß und der ist inzwischen behoben und so geht es dann gemeinsam wieder die letzten 7 Kilometer bis zum Mittag.

Nachmittags fahren wir dann nach fünf sonnigen Minuten in eine Gewitterfront und werden noch einmal nass. Dazu hält dann Mirjams Hinterreifen wieder die Luft nicht, aber mit noch einmal Nachpumpen kommen wir zum Ziel. Damit küren wir Mirjam heute zur Palttfußprinzessin. Bei der zweiten Hälfte meiner gestrigen Wodkaflasche flicken wir den Schlauch heute zum zweiten Male, finden aber keine Ursache im Mantel und das missfällt mir sehr.

Das Hotel ist ein wenig schlampig, wir haben wieder nur winzige Dreibettzimmer, was mit dem Gepäck und den nassen Sachen ein wenig nervt, das Essen ist ziemlich fettig und draußen regnet es in Strömen. Wir haben schon bessere Tage erlebt.

66. Tag: Montag, der 20. Juni 2011

Montag, den 20. Juni 2011

Dauerregen und sonst Nichts

90 Kilometer von Tjumen nach Sawodoukowsk, ausgedehnter Dauerregen bei 13 bis 14 Grad, 71 hm in platter einförmiger Landschaft

Schon bei Regen verlassen wir Tjumen und es soll den ganzen Tag nicht aufhören; zwar sind wir zwischendrin, dank einer einstündigen Regenpause fast trocken, aber dann geht es schön einförmig weiter. der einzige Vorteil, den uns das Wetter bringt, ist, dass der Wind weiterhin von hinten kommt.

Sibirien ist Monotonie pur, verstärkt durch den Regen. Birkenwälder, Weiden mit nur selten Tieren darauf. Kaum Dörfer, eine lange gerade Trasse, die man manchmal fünf Kilometer einsehen kann, Birkenwälder und ansonsten Nichts. Nur ganz selten ein Dorf und dann meist auch nicht an der Straße, sondern irgendwo zwei oder drei Kilometer nach links oder rechts, wo nur eine schlammige Piste hinführt.

Auch die Raststätten liegen immer weiter entfernt voneinander und so muss man jetzt essen, wenn eine Raststätte kommt und nicht, wenn man Hunger hat, auch wenn die einzige dieser Art dann auch nicht sehr einladend aussieht, vor allem, wenn man versucht hat, vor dem Eseen der dortigen Toilette einen Besuch abzustatten, eigentlich wäre hier der begriff „Unsanitäre Anlage“ angebracht, für das verschmierte Plumpsklo mit Loch im Fußboden.

Nachmittags dann das gleiche wie am Vormittag bis nach Sawodoukowsk, das heißt bis zur dortigen Raststätte, denn in der Siedlung soll es kein Hotel oder eine andere Übernachtungsmöglichkeit geben. Dafür sind die Leute an der Raststätte sehr nett, unsere Fahrräder dürfen in eine Nebenzimmer, ohne das wir fragen oder einen Aufpreis zahlen müssen, das Essen ist zwar nicht besonders gut, aber aus der Dusche kommt reichlich heißes Wasser und ich sponsere eine Flasche Wodka auf den Regentag. Wir sitzen dann noch ein wenig im Zimmer und ich versuche meinen Mitstreitern das Skat spielen beizubringen, aber wir werden wohl noch ein paar Abende brauchen, bevor wir richtig gut zocken können.

Draußen vor dem Fenster, mit Blick auf den Lada-Friedhof regnet es weiter und es sieht auch nicht so aus, als ob es jemals wieder aufhören möchte.

65. Tag: Sonntag, der 19. Juni 2011

Sonntag, den 19. Juni 2011

Auf der Jagd nach dem schnöden Mammut

Irrspaziergang durch ganz Tjumen auf der Suche nach dem Naturkundemuseum, ansonsten ruhiger Tag bei launischem Wetter bis 21 Grad

Unser heutiger Plan sieht den Besuch des Naurkundemuseums vor, hier soll es eines der wenigen gut erhaltenen Mammutskelette der Welt geben. Die Dame an der Rezeption hat uns die Adresse gegeben und so machen wir uns auf den Weg in die Leninstraße. Schon nach dem ersten und zweiten Fragen nach dem Weg gehen die meinungen nach der eizuschlagenden Richtung auseinander und so geht es dann weiter. So kommen wir letztlich zu einem ungewollten Stadtrundgang und kennen uns nun wirklich aus in der „City“. Das Zentrum ist doch größer und etwas vielseitiger als gestern geschildert, es gibt eher so eine Art alten und neues Zentrum. Hinter einer Plattensiedlung trifft man dann neben den Bauten aus den 80ern auf ein paar gut erhaltene Holzhäuser. Doch es leigt nicht nur am Wetter, das die Stadt einen triesten Eindruck macht. An jeder Ecke Bauschutt und nix ist richtig vollendet gebaut, nach dem regen steht überall das Wasser und es blättert allerorts der Lack und die Farbe. Gerhard, unser Bauexperte rät zu einem generellen Abriß und Neuaufbau unter Leitung seiner kleinen Baufirma, damit hier endlich Schluss ist mit Pfusch und Schlamperei.

Irgendwann nach zwei Stunden Fußweg erreichen wir dann die Leninstraße Nr. 2, dort gibt es dann ein Bürohaus und einen Schreibwarenladen, aber kein Museum, wir fragen weiter und weiter und werden noch mal vor und zurück geschickt und dann haben wir es endlich gefunden, das Naturkundemuseum vom Tjumen in der ulitza lenina nr. 2, die Hausnummer hat mindesten 10 Gebäude und das letzte davon war es dann. ohne zu meckern entrichten wir den überzogenen Eintritt und stehen dann endlich vor den Knochen des Urviehs. Gigantisch füllt der Koloss den Raum und lässt uns ziemlich klein aussehen. Mit nicht ganz so großem Interess erkunden wir dann noch den Rest der kleinen Ausstellung mit Tierchen und Geflügel aus der Region und überlegen, was wir davon alles schon überfahren auf der Autobahn gesehen haben. Unten im Haus gibt es dann noch ein paar Terrarien mit Schlangen und Fröschen und anderem Getier.

Für den Rückweg nehmen wir dann den Bus und es wird zeit für ein eholsames Schläfchen vor dem Abendessen.

Unser nächstes etappenziel ist Omsk, das wir in 5 oder 6 Tagen erreichen werden, dazwischen sieht es nicht gut fürs Internet aus und auch der Wetterbericht verheißt Kühle und Regen. mal sehen, ob wir in einer Woche noch gute Laune haben.

64. Tag: Samstag, der 18. Juni 2011

Samstag, den 18. Juni 2011

Tjumen im Schnee

61 Kilometer von Tugulym nach Tjumen, 52 hm, Wolken und Sonne bis 22 Grad

Die Nacht in den Schlafkojen war schrecklich. Am Morgen sind es knappe 28 Grad in dem winzigen fensterlosen Raum und wir haben die Abdrücke der Spiralfedern im Rücken. Bei jeder winzigen Bewegung haben die Betten gequietscht und geknarrt.

Eine Art Frühstücksmenü gibt es im Bistro unten nicht, also bleibt nur eine ölige Soljanka und eine Tasse lauwarmer 3 in 1 Kaffee. Warum man dazu einen usbekischen Koch anstellen muss, ist mir unklar. Aber die „Schwarzen“, wie sie manchmal von den Russen genannt werden machen hier oft die schlecht bezahlten einfachen arbeiten. So wie auch die Frau des Koches, die den ganzen tag mit Putzen und Wischen und Müll wegbringen beschäftigt ist. Als wir das Motel verlassen liegt sie todmüde im Nachbarzimmer, das die LKW Fahrer irgendwann gegen 5 Uhr verlassen haben. Als sie uns hört springt sie sofort auf und greift sich wieder den Putzlumpen.

Bis nach Tjumen ist es nicht weit und es geht immer den Highway E 22 entlang ereignislos in die Stadt. In den Neubau-Außenbezirken ist wieder viel Verkehr, der über die traditionell schlecht asphaltierten Stadteinfahrten holpert. Ein Hotel ist schnell gefunden, auch nachdem uns zwei Läden nicht wollten, zu viel Ärger wegen der Registrierung. Das ist ein Vordruck, der von den Hotels theoretisch in jeder Stadt ausgefüllt werden muss. Diesen bekommt der Tourist bei Abreise und muss ihn mit rumschleppen. In jedem Hotel werden penibel die Daten aus dem Pass und den vorangegangen Registrierungen in ein neues Dokument eingetragen. Ich denke, wenn wir am Baikal angekommen sind, werden wir so an die 20 dieser Scheinchen bei uns haben und die Hoteldamen eine Weile mit dem Papierkrieg beschäftigt sein….oder uns gar nicht mehr nehmen wollen.

Es ist erst früher Nachmittag, also holen wir erst noch ein wenig Schlaf nach, dann machen wir noch einen Spaziergang durch das nichts-sagende Zentrum. Zu Sowjetzeiten wurde eine breite Allee angelegt, an deren einer Seite ein Park und ein Friedhof liegt. Auf der anderen Seite ein Glaspalast einer Ölfirma und ein Straßenzug mit ein paar Läden, dahinter beginnen dann gleich die Viertel mit den Wohnsilos.

Die Platanen blühen und es herrscht dichtes „Schneetreiben“. Überall hängen die weißen Fusseln in der Luft und bilden an manchen Stellen große, weiße Teppiche. Ein Paradies für Allergiker.

Am Park entlang wurde eine Art Ausstellung russischer Orden, aus Pappe und Gips in „Lebensgröße“, Anlass für ein paar nette Fotos. Jacky und Gerhard postieren vor den sich vereinigenden Proletariern aller Länder, Barbara erntet den Ruhm, Mirjam posiert mit zwei Sodaten vor Lenin und ich vor dem Siegesabzeichen.

Ein Restaurant zu finden ist gar nicht so einfach, in der wir mittags gegessen haben, wollen wir nicht noch einmal, eine Bar auf der Hauptstraße hat gnadenlos überhöhte Preise und die Stolowaja, in der wir dann enden ist einfach nur schlecht mit lauwarmen Gerichten aus der Mikrowelle.

Am Abend gibt es dann sogar nicht nur Wasser im Hotel, sondern dieses ist auch noch warm, die Damen an der Rezeption sind sehr nett und helfen uns unser morgiges kleines Programm zusammen zu stellen und auch das Internet kann ich nun zum Laufen bringen.

63. Tag: Freitag, der 17. Juni 2011

Freitag, den 17. Juni 2011

Angriff der Killerbremsen

152 Kilometer von Kamuischlow nach Tugulym, davon ca. 40 Kilometer auf Piste, 315 hm bei idealem Fahrradwetter mit teilweise leichtem Rückenwind bis 23 Grad

Wir haben keine Lust auf die E22 Hauptstraße und biegen deshalb auf eine winzige Nebenroute. Diese Route beginnt wieder einmal wunderschön und wird dann langsam aber sicher immer holprige und irgendwann ist der Asphalt weg. Aber das hatten wir auch erwartet und es ist sehr angenehm völlig verkehrfrei zwischen den Dörfern entlang zu radeln. Bei Trockenheit sind die Pisten bis auf ein paar Schlammlöcher gut zu fahren.

In den Dörfern, die weiterhin aus schönen Holzhäusern bestehen, sieht man auch nicht viele Leute. manchmal winkt ein Bauer oder eine Bäuerin vom Feld herüber oder ein Opa sitzt auf der Bank vor der Tür. oder an der Bushaltestelle stehen ein paar Leute und wir werden oft nach dem wohin und woher gefragt.

Der einzige Radler, der mit seinem Klapperrad uns heute begenet ist mehr als erschrocken, als wir ihn grüßen, reißt sich aber dann für einen kleinen Plausch den MP3 Player aus dem Gehörgang. Gegen Mittag haben wir wieder Asphalt unter den Rädern, bleiben aber auf der Nebenstraße.

Pausen kann man kaum noch machen, zu den allgegenwärtigen Mücken hat sich eine weitere Plage gesellt: Richtig große Bremsen . Die begleiten uns dann sogar auf dem Rad weiter und es ist mehr als lästig, hinter, neben und vor dem Rad ein Schwarm mit 20 manchmal sogar 30 Bremsen. Wenn man dann vom Rad steigt beginnt ein blutiges Gemetzel, die einen beginnen eine Blutmahlzeit und wir vergelten diese mit tödlichen Schlägen. Noch konnte ich nicht herausfinden, ob es sich um Pferdebremsen oder Rinderbremsen handelt, beim Versuch der Aufklärung habe ich gelernt, dass erstere dunkelbraune Augen und Rinderbremsen grüne Augen haben. Blauäugige Exemplare beider Gattungen haben vorher an alkoholisierten Personen gesaugt.

Gegen Abend stecken dann die 40 Kilometer Pist ordentlich in den Knochen. Die Logistik ist seit dem Ural wesentlich schwieriger geworden, einmal liegen die größeren Städte mit Hotel oder ähnlichem weiter auseinander und auch auf der E 22 kann man nicht mehr mit einem Truckerhotel aller 50 km rechnen. Um so mehr sind wir enntäuscht als wir in Kamuischlow eintreffen und das dortige Cafe mit Zimmervermietung geschlossen hat. Selbst ein Anruf beim Besitzer bringt keinen Fortschritt, man kommt dort nur nach Voranmeldung rein. Aber an der Scxhnellstraße soll es noch ein weiteres Hotel geben. Nachdem wir noch einmal in die falsche Richtung geschickt werden, finden wir dieses auch, von außen sieht es sogar recht schnuckelig aus, ober gibt es aber nur winzige Zimmer ohne Fenster mit drei Betten, inclusive eines Doppelstockbettes und dazu kostet es pro Person noch 600 Rubel (15 €), also pro Zimmer 1800 R. Zum Vergleich, dafür bekommt man in einigen Städten schon ein schönes Doppelzimmer mit Bad. Aber es ist 20 Uhr ubnd wir sind gut geplättet und haben keine andere Wahl, nein wir sind sogar recht froh, dass wir heute noch eine, wenn auch mickrige, Dusche und ein Dach über dem Kopf bekommen.