Archiv: 2011 Transeurasien

7. Tag: Karfreitag, der 22.04.2011

Freitag, den 22. April 2011

Tag der geschlossenen Türen

113 km von Grudziadz nach Osteroda bei schönstem Wetter bis 23 Grad, leichtem Gegenwind auf kleinen Straßen

Auf dem Weg aus der Stadt fragen wir uns nach der alten Festung durch. Diese soll tolle Bollwerke aus dem 19. Jahrhundert haben und liegt etwa 2 km südlich von Grudziadz. Wir finden auch schnell den Eingang, aber alles ist militärisches Sperrgebiet und man kann nicht hineingehen, nur ein Tor, Schlagbaum und viel Stacheldraht. Also geht es weiter, der Umweg war nicht groß und wir fahren heute sogar auf der Hauptstraße, denn hier ist in Pogozno eine alte Ordensburg verzeichnet und die Straße hügelt vor sich hin durch die Wälder. Irgendwann taucht dann auch links im Laubwald die Burg auf, doch auch hier stehen wir vor verschlossenen Türen, die Burg gehört einem Bauern und es sieht nicht so aus, als ob Touristen hier willkommen wären.

Dann geht es auf Nebenstraßen nach Lasin, die hiesigen Sehenswürdigkeiten sind mehr als schnell abgearbeitet, das Rathaus von außen, der Wasserturm ist eher klein als bemerkenswert und die Marienkirche besticht auch eher durch Bescheidenheit.

Ähnlich ergeht es uns in Ilawa, die „Lokals“ sagen sogar, dass es nichts besonderes zu sehen gäbe, wenigstens finden wir in der Stadt eine nette Bank mit Grün und Blumen drumherum zum Picknicken.

Danach geht es auf einer kleinen schlechten Straße gegen den Wind, schön wird es erst, als wir in einen Waldweg abbiegen, der ist jedoch super asphaltiert und wir haben keinen Wind und Verkehr gibt es auch nicht. Das motiviert dann sogar für die letzten 12 km auf der Hauptstraße. Wegen einer Hoteländerung kommen wir aber gar nicht ins Zentrum von Osterode, obwohl dort ein paar schöne alt Gebäude und eine Burg zu besichtigen wären. Aber unser Hotel liegt in einem Vorort oder besser Vordorf ungefähr 5 km südlich aus der Stadt heraus.

Die 113 km fast ausschließlich gegen leichten gegenwind haben wieder ordentlich geschlaucht und so gibt es nach einem kräftigen schluck Wodka nur noch zwei Programmpunkte: Abendessen und Schlafen.

Ich realisiere, dass ich heute kaum Fotos gemacht habe, die Landschaft war aber den ganzen Tag lang schön, aber eben nicht spektakulär und wenn es gegen den Wind geht hat man kaum Lust anzuhalten. Zumal ich Mittag zwei Stunden Probleme mit dem Hinterteil hatte, aber die waren dann gegen Nachmittag genauso plötzlich wieder verschwunden, wie sie gekommen sind, so dass eine Ursachenanalyse nicht möglich war.

6. Tag: Donnerstag, der 21. April 2011

Donnerstag, den 21. April 2011

Alte Städte an der Weichsel

80 km von Torun über Chelmno nach Grudziadz, schlaffe 137 hm bei angenehmen 20 bis 23 Grad und Sonne, zwei schöne Altstädte und Sonnenuntergang an der Weichsel

Wieder ein Morgen wie aus dem Bilderbuch und gleich hinter Torun wird die Straße sehr ruhig, die Landschaft ist nicht spektakulär sondern eher einfach und ländlich, aber ohne Rückenwind ist es ein entspanntes Radeln und Gucken. Ich mag die polnischen Dörfer, es ist nicht so sauber und unerträglich clean wie in Bayern, sondern es sieht ein wenig gemütlich verschlampert aus.

In Chelmno, einer alten kleine Stadt treffen wir wieder auf die Weichsel. Die Stadt ist ein recht beeindruckend, ein tolles Renaissancerathaus auf dem Markt. An der Westseite ist ein eiserner Maßstab angebracht, die Culmer Elle, ein breiter Stahl, 4,37 Meter lang mit einer 14er Unterteilung, im 14 Jahrhundert das hier gültige Maß. Gab es Streit beim Messen von Stoffbahnen, die auf dem Markt gehandelt wurden, konnte man diesen hier schlichten.

Auch die St. Marienkirche ist beeindruckend, der hohe gotische Saal ist reich geschmückt und eine Orgel schmückt die Rückwand. Ich mag diese großen Säle, hier könnte selbst ich religiöse Gefühle entwickeln, Licht, Akustik und Temperatur wirken halt auf Geist und Seele.

Gut für die seele ist auch unsere Mittagspause vor einem bunt mit Blumen geschmücktem Friedhof. Wir haben wieder die geklauten Brötchen vom Frühstücksbuffet und eine Menge an frischem Gemüse und Obst. Zusätzlich habe ich noch eine Flasche Wodka organisiert und bis auf Jarek, unseren netten polnischen Fahrer nehmen alle einen kräftigen Schluck, das „Zoladkowa Gorzka“ Zeug ist wirklich gut und es fährt sich danach sogar noch ein wenig angenehmer. Aber keine Angst, wir haben nicht viel getrunken und auf der Straße gab es faktisch keinen Verkehr.

Den gibt es dann auf dem Weg in die Stadt Grudziadz umso mehr, aber es gibt einen Radweg, der böse haken schlägt, aber vor den Trucks und wilden Autofahrern schützt.

Gegen 15 Uhr ziehen wir wieder los, diesmal zu Fuß, ich mag die Stadt, denn auch hier sind die alten Gebäude nicht auf Hochglanz poliert für den Tourismus, sondern es gibt auch noch graue Gebäude und mehr als ab und zu bröckelt eben auch mal der Putz. Vom Stadtwall hat man einen hervorragenden Blick über die Weichsel und ein schmaler Weg führt durch blühende Sträucher am Ufer entlang. Auf einer Erhöhung werden die Reste der Kreuzritterburg aus dem 12. Jahrhundert ausgegraben und langsam wieder hergestellt und man hat in alle Richtungen eine gute Aussicht.

Wir schlendern durch die alten Straßen mit den historischen Speichern, manche dienen als Wohngebäude, manche sind fast verfallen und manche schon chic renoviert. Der Mix macht eine gute Mischung. Schwieriger wird es ein Restaurant zu finden, die „Pirrogarnia“ war leider schon geschlossen und auf Pommes hatten wir natürlich keine Lust, doch neben dem Hotel gab es einen „Chinesen“. Der hat zwar mit chinesischem Essen so viel zu tun, wie Hodscha Nasreddin mit dem Weihnachtsmann, aber es schmeckt nicht übel und es gibt gigantische Portionen zum netten Preis. Danach sind wir so voll, dass wir einen weiteren Spaziergang brauchen. An der Weichsel geht die Sonne unter und es ist wieder ein wunderschönes Foto für meine „10.000 langweiligsten Sonnenuntergänge der Welt“.

5. Tag: Mittwoch, der 20.April 2011

Mittwoch, den 20. April 2011

In Kopernikus Geburtsstadt

55 km von Bydgoszcz nach Torun, nur 100 hm und leichter Gegenwind, Stadtrundgang bei schönstem Sonnenschein und 17 bis 22 Grad

Wegen der kurzen Strecke heute gönnen wir uns morgens eine halbe Stunde länger, das Buffet ist zumal genial, viele Sachen mit Ei und Mayonnaise, viel Energie und genau richtig für Radfahrer, ansonsten als Frühlingsdiät komplett ungeeignet, vor allem, wenn man dann von Kirschkuchen nicht lassen kann.

Draußen ist es wieder frisch und sonnig, aber wenigstens nicht so windig wie gestern. Wir trudeln noch einmal gemütlich durchs Zentrum und verlassen dann die Stadt. Zum Glück gibt es eine Nebenstraße, fast an der Weichsel entlang, die wir heute zum ersten male sehen. Der Fluss ist recht breit und hat so das Format der Oder.

Leider müssen wir noch einmal für 15 Kilometer an die Hauptstraße, das ist recht stressig, es gibt keinen Seitenstreifen und der Verkehr rollt dicht und auch dicht an uns vorbei. Das ist massiv unspaßig. Die einzige Abwechslung sind die Damen mit kurzem Rock, die hier an der Straße stehen und auf „hungrige“ Autofahrer warten. Uns Radler ignorieren sie komplett.

Um uns von der Hauptstraße wieder zu erholen machen wir wieder einen Abstecher in die Pampa und versuchen den Weg auf dem Damm der Weichsel. Leider ist der Weg entweder stark vergrast oder versandet, aber wir fahren doch gute 4 Kilometer nahe am Wasser entlang und haben eine schöne Aussicht übers Land. der Fluss versteckt sich leider noch hinter einer weiteren Baumreihe.

Gegen 13.30 Uhr sind wir schon in Torun. Über die Weichsel radelnd haben wir einen schönen Blick auf die mittelalterliche Stadt, mit alter Stadtmauer und zahlreichen Kirchen.

Es gibt überall wunderschöne Backsteingotik und das Rathaus hier diente als Vorbild für das Rote Rathaus in Berlin.

An Kopernikus erinnern nicht nur der Name unseres Hotels, sondern auch ein paar Straßenzüge mit seinem Namen und eine Statue im Zentrum. Doch interessanter sind noch die Leckereien, die angeboten werden. Die Stadt ist bekannt für ihre Pfefferkuchen und in den Pfefferkuchenläden riecht es nach Weihnachten und genauso schmecken die Lebkuchen, nur dass es diese hier 12 Monate im Jahr gibt.

Wir schlendern am Ufer der Weichsel entlang und genießen die Nachmittagssonne dort bei einem Bier oder Kaffee und sehen uns dann die Ruinen der alten Ordensburg an und schlendern weiter am Markt und historischen Gebäuden vorbei. Die schmucken Fassaden leuchten in der Abendsonne.

Auch das Abendessen ist eine Spezialität, Nalesniki, Pfannkuchen in vielen Variationen: Spinat, Käse; Kartoffeln, Tomaten oder Curry oder aber auch mit Schokolade oder Bananen. Und genau hier hangeln wir uns durchs Menü.

Am Abend bleibt dann noch etwas Zeit für Wäsche waschen oder Tagebuch schreiben, aber leider will das Internet nicht so wie ich will und so wird es dann wieder spät, ohne dass ich viel geschafft habe.

4. Tag: Dienstag, der 19. April 2011

Dienstag, den 19. April 2011

Gegen den Wind

110 Kilometer von Pila nach Bydgoszcz (Bromberg), 350 Höhenmeter am Notec entlang, straffer Gegenwind bei 17 Grad

Am morgen ist es mehr als empfindlich frisch, mehr als 5 oder 6 Grad sind es nicht, aber auf dem rad ist das kein Problem, wenn man vorbereitet ist. Hinter Pila gibt es gleich eine neue kleine Straße, die noch nicht ganz fertig ist, also auch noch nicht so straff befahren wird. Anfangs geht es durch Kiefernwälder, dann hügelt es ein wenig und wir haben schöne Ausblicke über die Ebene, durch die der Notec fließt. In den kleinen Dörfern sieht man kaum Leute auf der Straße. Hin und wieder zieht ein Traktor über die Felder und bereitet den Boden für das Frühjahr vor. Ab und zu gibt es einen kleinen See.

Bis Mittag nimmt der leichte Lufthauch, der uns von früh an entgegen wehte immer mehr zu. und es bleibt frisch im Wind und im Schatten. Zum Mittag suchen wir uns eine windgeschützte Stelle und haben ein kleines Obst und Gemüsepicknick. Besonders lecker ist die frische Rote Beete.

Am Nachmittag haben wir winzigste Straßen und noch kleiner Dörfer, alles sehr ruhig und beschaulich, aber auch recht anstrengend. So wird heute weniger gesprochen. Außerdem haben wir uns am Mittag von Karin vorübergehend verabschiedet, die mit dem Zug für vier Tage nach Deutschland fährt, um die Eiserne Hochzeit ihrer Eltern zu feiern. In Olstyn wird sie wieder zu uns stoßen.

Die letzten 25 Kilometer wird der Verkehr straffer und die Einfahrt nach Bromberg ist wenig erbaulich, dafür liegt das Hotel in der Nähe der Altstadt. Wir stellen wieder nur rasch das Gepäck ins Zimmer und ziehen uns warm an, dann drehen wir im Zentrum noch eine Runde. Die Stadt ist noch nicht komplett auf Tourismus zugeschnitten und totrenoviert und das macht den Charme aus. Am Ufer der Brda stehen alte Speicher und die Fassaden der alten Häuser leuchten in der Abendsonne.

Ziemlich stark macht sich dann der Hunger bemerkbar und wir gehen am Markt in ein nettes Lokal, Schnitzel mit Sauerkraut sind meine Wahl und eine Rote Beete Suppe mit einer Art Leberknödel im Blätterteig.

Nach dem Radler und dem essen macht sich der Tag gegen den Wind mehr als bemerkbar. Schweren Schrittes erreichen wir gegen halb neun wieder das Hotel und ich falle halb tot ins Bett, 110 km gegen den Wind sind nicht zu verachten.

Was haben wir heute wieder gelernt, ach ja, halbrunde Fenster im Dach heißen „Ochsenauge“.

3. Tag: Montag, der 18. April 2011

Montag, den 18. April 2011

Am Notec entlang

130 km von Gorzow nach Pila, bis 23 Grad bei Sonnenschein, manchmal Hügel mit 397 Höhenmetern, manchmal leichter Gegenwind auf kleinen Straßen und ein wenig Feldweg

Das schönste an unserem netten Hotel ist das Frühstück, ein fulminantes Buffet, trotzdem kommen wir fast wie geplant los. Die Sehenswürdsigkeiten, die es im Zentrum gibt, sind eher lasch, die „Weiße Kirche“ ist nix besonderes, weder alt noch schön und der alte Speicher am anderen Ufer der Warthe ist hinter Bäumen versteckt und eingerüstet. Dafür lernen wir wiederum etwas, was immer schon wissen wolten, nämlich, dass der berühmteste polnische Speedwayfahrer Eduardovi Jankarzowi 12 Medallien bei Weltmeisterschaften gewann und zweimal polnischer Meister war und natürlich aus Gorzow stammt. Es sieht so aus, alls ob unsere Reise noch ein richtiger Bildungstrip wird.

Vom Tage gibt es nicht viel zu erzählen, es geht immer in den Niederungen des Notec Flusses mehr oder weniger am Fluss entlang. Wir haben Glück und finden eine winzige Straße, die wir nur mit wenigen Autos teilen. Neugierig werden wir von zahlreichen Störchen beäugt, die ihr in ihren Nestern sitzen und uns von oben herab beobachten.

Auch heute fahren wir wieder eine Abkürzung auf Feldwegen und verfransen uns ausnahmsweise nicht. Vielleicht 10 Kilomerter geht es durch wirklich winzige Dörfer und einem am Straßenrand stehenden Polen fällt vor Schreck sein Fahrrad aus der Hand, als wir vorüberfahren.

Auch haben wir heute erstmals mit ein wenig Gegenwind zu tun, aber nicht den ganzen Tag, sonder vielleicht insgesamt 30 Kilmeter, immer wenn die Straße nach Norden eindreht. Schon wieder kommen wir ohne Mittag aus, aber wir gönnen uns in einem winzigen Städtchen eine Tasse Kaffee.

Die letzten 20 Kilometer nach Gorzow wird der Verkehr heftiger und es kommen noch ein paar Hügel hinzu. So erreichen wir nach 130 Kilometern recht müde Pila, das Hotel Gomada ist das höchste Gebäude in der Stadt und stammt noch aus sozialistischen zeiten. Zwar wurde der Kasten renoviert, aber die Zimmer haben nicht mehr Charme als eine Jugendherberge.

Besser ist das Lokal, in dem wir einkehren. Wir probieren Piroggi, also gefüllte Teigtaschen und deftige Gerichte mit Fleisch und Krautsalaten, alles schön sättigend und recht schmackhaft. Der Clou am Restaurant waren die „Teller“, nämlich Platten aus Salzteig, sehr fest gebacken und zwar theoretisch essbar. Derr Kellner bestätigt uns auf Anfrage, dass die Dinger im Müll landen, weil nicht einmal die Schweine das harte Zeug wollen. Wir schlagen ein Lackierung vor, dann wären sie spülmaschinenfest.