Archiv: 2011 Transeurasien

2. Tag: Sonntag, der 17. 04.2011

Sonntag, den 17. April 2011

In den Sümpfen von Barnowko

103 km von Bad Freienwalde nach Gorzow, 340 Höhenmeter auf ruhiger Straße und Waldwegen bei angenehmen 18 bis 20 Grad, bewölkt, dann sonnig

Frühstück gibt es leider erst um 8 Uhr uns so kommen wir um 9 Uhr los. Zuvor gab es dann den „letzten“ Abschied, unser Begleitteam wünscht uns noch einmal alles Gute und dann führen die Wege in die entgegen gesetzte Richtung. Für uns beginnt der tag idyllisch in der Oderniederung. Weite Wiesen mit beginnendem Grün und kleine Hügel bis zur Oder. Auch hier lerne ich wieder etwas, was ich noch nie wissen wollte. Den Ort Hohensaaten-Ost kennen alle Ossis, vor 20 Jahren gab es nämlich nach den morgendlichen 7 Uhr Nachrichten im Radio immer noch die Wasserstandsmeldungen und für die Oder wurde immer der Pegel von Hohensaaten-Ost durchgegeben, aber kaum einer wusste eigentlich wo dieses Nest liegt. Wir wissen es nun, 10 km nordöstlich von Bad Freienwalde, natürlich direkt an der Oder!

Und auf der anderen Seite liegt schon Polen, verbunden mit einer Brücke, über die sich die Berliner Wochenendausflügler stauen. Wir fahren schnell vorbei und biegen auf einer winzigen Straße nach Süden ab, wunderschöne 15 km immer am Fluss entlang. Einige Wiesen und Niederungen sind überflutet und daraus ragen knorrige Bäume. Reiher und Enten drehen ihre Runden im Wasser und in der Luft. Während die Berliner im Einkaufszentrum an der Grenze billig shoppen und tanken, treffen sich die Polen beim Angeln. An manchen Stellen wird richtiggehend Jagd auf die Fische gemacht. Aller drei Meter stehen hungrige Angler. Auf unserer kleinen Straße gibt es so gut wie keinen verkehr, dafür wächst am Wegesrand im Wald überall Schnittlauch, die passende Ergänzung für unser Brötchen zum zweiten Frühstück. Gegen 10 Uhr enden die Gottesdienste in den Kirchen und die Leute strömen zu Fuß oder per Auto wieder nach Hause. Schöne Kirchen gibt es überall und noch mehr Kreuze mit einem kleinen Jesus dran. Die meisten sind festlich geschmückt- nächste Woche ist ja Ostern.

Gegen 13 Uhr versuchen wir uns an einer Abkürzung, 5 km durch den Wald für 13 km Straße. Es geht auch gut los mit schönen sandigen Abschnitten, dann nehmen wir wie empfohlen die Abzweigung nach rechts, aber wohl doch eine zu früh. Wir kommen zu weit nach Süden und wollen auf einem winzigen Weg queren, doch das funktioniert nicht und wir kommen tiefe in den Wald und stehen dann vorm Sumpf. An drei Stellen versuchen wir durchzukommen und kämpfen uns durchs Gehölz, ohne Erfolg, vor uns wieder Sumpf oder Wasser oder eine kaputte Brücke. Auf der anderen Seite nur 300 Meter hin ist die Straße und die Autos können wir schon hören! Nach einer knappen Stunde haben wir es dann doch geschafft und wir sind wieder auf Asphalt. Der Ausflug ins polnische unterholz war trotzdem schön, viel Wald und natur, keine Autos und unberührte Natur, auch ein scheues Reh bekommen wir zu sehen.

Bis 17 Uhr haben wir es dann auf nicht mehr ganz so ruhiger Straße nach Gorzow geschafft, wieder ein abwechslungsreicher Tag.

Im Einkaufszentrum, das hier auch am Sonntag geöffnet hat, können wir Geld tauschen; für einen Euro bekommen wir 3,85 Zloty und einen Teil davon setzten wir gleich in eine kräftige Abendmahlzeit um. Am Abend arbeite ich mich an meinem Blog, muss aber hektisch schreiben, denn mein Stecker passt nicht in die Dose und so habe ich nur eine Akkulaufzeit, um Bilder und Texte fertig zu bekommen. Am späten Abend kommt dann noch eine alte bekannte zu uns, Monica aus Warschau, die ich auf der Arthen-Beijing Tour kennen gelernt habe. Sie will uns bis zur litauischen Grenze begleiten.

1. Tag: Samstag der 16. April 2011

Samstag, den 16. April 2011

Gelungener Auftakt

90 Kilometer von Berlin nach Bad Freienwalde bei angenehmstem Frühlingswetter bis 22 Grad und guter Stimmung, 300 Höhenmeter

Was für ein schreckliches Wetter, es regnet und der Wind treibt in kalten Böen graue Wolken am niedrigen Himmel entlang; so sah es noch in der letzten Woche in der Hauptstadt aus, doch heute ist alles gut.

Die Vögel zwitschern laut in Berlin, die Sonne strahlt und es ist glasklar- Kaiserwetter. Am Brandenburger Tor finden sich fast 30 Leute ein unsere Berlin- Beijing Radler, einige Radler die erst in Irkutsk dazukommen, einige die heute bis Bad Freienwalde mitfahren und Familien und Freunde. Alte Bekannte sind dabei, die schon ein oder mehrfach mit „China By Bike“ geradelt sind, die Mitveranstalter der Tour, Mugi für „Mongolei Reiser“ und Gerhard für „Weit-Blicke“, der diesmal den Mammutteil der Reise zu organisieren hat, von hier bis zum Baikalsee.

Ein paar kleine Tränen fließen, doch die Freude überwiegt und um 9 Uhr geht es los- Unter den Linden entlang und dann die Greifswalder und dann Weißensee und Falkenberg und schon liegt Berlin hinter uns und als wir in Ahrensfelde bei beginnendem Stau von der Hauptstraße nach Altlandsberg abbiegen die Brandenburger Weiten vor uns.

Es ist wunderschön im Frühling in Brandenburg, alles beginnt leuchtend zu grünen und zu blühen, Bäume in voller Pracht und zarte Sprosse links und rechts der Straße. Ein perfekter Tag, eine Radtour von 11.000 Kilometern zu beginnen.

Und am heutigen Tag ist alles dabei, was uns in den nächsten Wochen und Monaten erwarten wird. Aus berlin heraus der heftige Verkehr, die Einkaufsfahrer nach Polen, dann kleine Landstraßen und sogar Feldwege, denn ich habe eine nette Route nach Bad freienwalde zusammen gestellt. Hinter beiersdorf geht es in den Wald und, damit die Leute gleich auf den geschmack kommen, verfransen wir uns ein wenig und der Weg endet auf einer Wiese. Der Umweg ist nicht groß, vielleicht ein oder zwei Kilometer, aber es sorgt natürlich für Humor an einem „perfekt“ organisierten Tag. „Immer schön aufpassen, wohin ihr fahrt und am Baikalsee müsst ihr rechts abbiegen!“ hagelt es dann an gut gemeinten Navigationshilfen.

Durch den Wald ist es idyllisch, dann wieder ein paar Häuschen und auf der Weide staunen drei Pferde über die 13 bunten Radler auf dem Feldweg. Nach 6 Kilometern „offroad“ haben wir dann wieder Asphalt. Inzwischen ist es fast 14 Uhr und der Hunger zwickt, doch in Gersdorf an der Ecke, wo vor ein paar Wochen noch der Gasthof stand, sieht es aus wie nach einem Terroranschlag, ein Bagger schaufelt hier die reste der Restauration weg.

Also müssen wir noch ein paar Kilometer weiter nach Hohenfinow und dort haben wir dann mehr Glück mit unserer späten Mittagspause.

Gut gesättigt geht es wieter nach Niderfinow und wir besichtigen das Schiffshebewerk, neben dem technischen Meisterwerk aus den 30er Jahren soll ein neues Werk gebaut werden. Wir machen den Rundgang über die 80 Jahre alte Hebebühne und schwingen uns dann wieder auf die Räder für die letzten Kilometer. Und auch hier wird es noch einmal witzig, denn wir kommen wieder nicht weiter, der Felweg durch die Oderniederung soll total verschlammt sein, berichtet eine Niedefinower Spaziergängerin. Dafür erfahren wir etwas, was wir schon immer wissen wollte. Die Erfinder der „Naturschutzeule“, ein gewisses Ehepaar Erna und Kurt Kretschmann stammen aus Bad Freienwalde und sind dort Ehrenbürger, die Eule steht nun hier genau vor uns und wir kehren der Schlammstrecke den Rücken.

Verkehr gibt es fast keinen nach Bad Freienwalde, weil es eine Baustelle gibt, man kommt aber mit dem Rad dran vorbei, wird uns von den „Lokals“ gesagt; kommt man auch, aber es ist ein ordentlicher Kraftakt die Räder 200 Meter durch den Dschungel neben der Straße zu schieben und zu tragen. Doch dann haben wirs geschafft und lassen den Abend im „Löwen“ ausklingen, bei deftigem Essen und ein paar Bieren. Viel wird erzählt von alten Touren und erlebnissen und es wird diskutiert, was uns wo und wie zustoßen könnte, aber keine Angst, wir setzen alles daran, wohlbehalten in Beijing anzukommen in 156 Tagen und werden dann viel zu erzählen haben.