Archiv: 2008 Athen-Peking

Montag, 21. Juli 2008, von Huangling nach Fuxian, 104 Kilometer, 836 Höhenmeter: “Zauberlandschaft im Nieselregen“

Donnerstag, den 24. Juli 2008


Das Geräusch von Regen ist das erste, was ich nach dem Wecker höre und ein Blick nach draußen sagt mir, dass es auch nicht so schnell wieder aufhören wird. Also beginne ich den Tag erst einmal mit einer Tasse Kaffee und einer halben Stunde am Computer, um mit meiner Tagebuchschreiberei der Realität hinterher zu hetzen.

Während ich auf den ersten Etappen der Reise ja immer noch mein lokales Team für die Gruppe hatte, die die Hotel und Essensorganisation mehr oder wenige gut in der Hand hatte, bin ich ja nun hier in China allein verantwortlich. Das hat den Vorteil, dass ich nun alles besser unter Kontrolle habe, allerdings bleibt mir kaum noch eine freie Minute, um Tagebuch zu schreiben und noch weniger Zeit für mich selbst und auch keine Zeit mehr für Yoga, obwohl mir mein Rücken sagt, dass ich es wieder regelmäßig tun sollte.

Gestern Abend ist es mit wenigstens wieder einmal gelungen, mich zu rasieren und ein paar Bilder zu bearbeiten, allerdings ist mir dabei aufgefallen, dass meine festplatte nur noch ein 5 jämmerliche GB Platz hat, das reicht gerade mal noch für eine Woche oder für zehn Tage, wenn ich die Zeit finde, ein paar Bilder zu löschen. Besser wäre es mir ein Sicherungsfestplatte zu besorgen und Daten auszulagern.

Doch zurück zu meiner Tasse Kaffee und zum Tag. Das Frühstück ist mehr als üppig, obwohl nur 10 Yuan, also ein Euro pro Person, kassiert werden. Dann kurz nach 8 Uhr geht es bei leichten Nieselregen los. Allerdings ist es angenehm warm, etwas über 20 grad, so dass ich mich gegen eine Regenjacke entscheide, zumal heute auch wieder zwei Pässe vor uns liegen.

Regen und Fahrtwind halten sich die Waage und ich werde gerade so nicht sehr nass, die Gore-Tex Fahrer sind wohl feuchter dran und schmoren im eigenen Saft.

Aus dem Städtchen heraus biegen wir in eine kleine Nebenstraße ein und strampeln den ersten Berg hinauf. Es ist dunstig und neblig und man kann die Schluchten im Löss nur erahnen, allerdings scheint alles wie verzaubert im hellen Grau des Nebels. Die Maisfelder tauchen in die Nebelbank ein und Baumkronen zeichnen sich als dunkle Kontur ab. Ich packe meinen MP 3 Player aus und höre Beethoven, genau die richtige Musik und die richtige Dramaturgie zum Wetter und zum Anstieg.

Oben geht es dann durch die Lössebene, eine kleine Rast an einer Tankstelle wird zur Fotorgie für die Einheimischen, die zu Dutzenden mit Mopeds herbeikommen und die Fotofunktion ihrer Handys ausgiebig nutzen.

Heute gibt es weniger Höhlen im Löss, dafür haben viele Häuser einen sehr eigenen Bausstil, die den Höhlen nachempfunden ist. Aus Ziegeln wird ein Gewölbe gezimmert und dann wird rundherum Lehm angetragen und gestampft, meist gibt es vier oder fünf dieser Wohnungen nebeneinander, die aussehen wie Lösshöhlen, bei denen man später den Berg um die Höhle abgetragen hat.

Zum Mittag fallen wir in die einzigen beiden kleine Lokale eines kleinen Ortes ein und auch hier versammelt sich innerhalb kürzester Zeit viel Volk und schau neugierig zu, wie die Langnasen ihre Nudel verschlingen.

Nach dem Essen hat es dann doch aufgehört zu regnen und wir kommen wohl doch nicht mehr zu unserem zweiten vollständigen Regentag auf der Tour. Wir mühen uns dann den zweiten Berg für heute hinauf und dann geht es auf 1200 Metern Höhe gerade über das Lössplateau. Heute dominieren neben dem Mais noch große Apfelplantagen, die Hälfte der Äpfel am Baum ist in kleine Stoffbeutel verpackt, um den Apfel nicht reifen, sondern länger wachsen zu lassen, bei einer mehrer hundert Meter langen Plantage, eine mühselige Arbeit, die Früchte schon am Baum einzeln auf diese Art zu verpacken.

Nach einer rasanten Abfahrt erreichen wir das kleine Städtchen Fuxian und stoppen an einem kleine Laden für ein „dreckiges“ Bier und werden auch hier wieder zur Sensation der Woche gekürt. Mütter und Großmütter schleppen ihr Enkel und Kinder heran, um uns Langnasern beim Biertrinken bestaunen zu lassen.

Am späten Nachmittag bleibt noch etwas Zeit, die zum Suchen und Finden eines netten Restaurants verwende, aus dem Hotel heraus und dann zwei Mal links um die Ecke gibt es einen ganz kleinen Sichuanladen und die Gerichte, die wir bekommen sind durchweg super lecker.

Abends habe ich dann noch eine knappe Stunde für meinen Computer und kann endlich fast alles Nachholen, was liegen geblieben ist und deshalb gibt es morgen sogar Yoga.

Sonntag, 20. Juli 2008, von Baishui nach Huangling, 83 Kilometer, 1337 Höhenmeter: „Berge im Lössplateau“

Donnerstag, den 24. Juli 2008


Endlich habe ich meine Gruppe wieder einmal zu einem zeitigen Aufbruch motivieren können, 7 Uhr gibt es Frühstück und eine Stunde später hängen wir unsere Gepäckstücke ans Fahrrad. Wir werden heute noch zu lokalen Berühmtheiten, denn das fernsehen ist da und filmt unsere Ausfahrt aus der Stadt.

Da es diesig ist, ist es auch nicht so heiß wie gestern und den ersten 400 Meter Anstieg schaffen wir in schnellen Schritten. In den kleinen Dörfern sammeln sich die Bauern am Straßenrand und winken uns begeistert zu, es ist mehr los als am Rande der Tour der France. Zwischen den Dörfern haben wir Motorradbegleitung und bekommen am Pass eine großen Korb Cherrytomaten geschenkt. Dann geht es ein wenig oben gerade und wieder steil abwärts tief hinunter und es kommt die Frage auf, warum dies eigentlich Lössplateau heißt. Die gelbe erde, wie es die Chinesen nennen ist hier mehrer hundert Meter dick und über Jahrtauende haben die Flüsse hier tiefe Einschnitte hineingefressen. Leider haben wir keine schönen Blicke über die terrassierten hänge, da es immer noch sehr diesig ist, aber auch so ist die Landschaft faszinierend.

Fast alle Flächen sind mit Mais bestellt, wo noch etwas mehr Platz ist wachsen Bohnen und Tabak und ab und zu ist einer der Bauern auf dem Feld und jätet Unkraut. Gegen Mittag häufen sich die Höhlen im Löss, meistens sind sie leer, aber ab und zu sehen wir auch eine bewohnte Höhle. Hinter der Eingangstür liegt ein einzelner Raum oder auch manchmal noch ein weiterer, darin befinden sich dann eine Kochstelle und ein beheizter Kang, ein Bettofen aus Lehm, was im Winter bestimmt sehr angenehm ist. Eine Familie hat in der Regel zwei Höhlen, eine zum Wohnen und eine zweite dient als Lagerraum.

 

Bei der hohen Luftfeuchtigkeit geht es dann schweißtreibend die nächsten beiden Pässe hinauf und das Schwitzwasser rinnt mir vom Gesicht und tropft aufs Fahrrad, aber auch daran gewöhnt man sich, Bis auf 1200 Meter geht es wieder hinauf, dann geht es ein wenig oben eben entlang und die Straße windet sich wieder steil ins nächste Tal 400 Höhenmeter hinab.

Mittag wird es schwierig im einzigen Lokal eines kleinen Städtchens genug Platz für 30 Leute zu finden, aber die kalten Gerichte, die Jiaotze und die Nudeln sind lecker, brauchen aber ihre Zeit, bis die kleine Familie alles zubereitet hat. Inzwischen ist das halbe Dorf zusammen gelaufen und bestaunt uns und auch die Polizei stattet einen kurzen besuch ab und sieht nach, dass auch alles seine Richtigkeit hat.

Dann geht es einen fünften und letzten Berg für heute hinauf und wieder hinunter, bis wir dann in Huangling ankommen. Im Hotel stellen wir fest, dass es noch ein anderes Hotel mit ähnlichem Namen gibt und in dieses müssen wir dann noch weiter und so platzt auch heute wieder einmal der Traum von einer zeitigen Ankunft. Aber die Zimmer sind ok. und die Dusche ist warm und nachdem wir den Schweiß und Staub vom Körper gespült und uns ausgeruht haben, treffen wir uns noch einmal zum Abendbrot.

In dem Städtchen gibt es einen schönen Markt mit vielen Ständen, kalten nudeln, gefüllten Broten, gegrilltem Fleisch und Gegartem im Steintopf und frisch gezapftes Bier, so dass sich für jeden Geschmack etwas findet.

Als wir gegen 22 Uhr ins Hotel zurückgehen ist das Leben auf der Straße gerade in vollem Gange, doch wir wollen morgen nicht zu spät los und ich will noch ein paar Zeilen schreiben von einem rundum gelungenen Tag mit eindrucksvoller Landschaft und vielen netten Begegnungen am Straßenrand.

Samstag, 19. Juli 2008, von Lintong nach Baishui, 123 Kilometer, 845 Höhenmeter

Donnerstag, den 24. Juli 2008


Aus dem Hotel herauskommend renne ich gegen eine warme und feuchte Wand und der Schweiß beginnt sofort zu rinnen. Wir sollten hier wohl doch zeitiger aufbrechen, um wenigstens morgens noch eine angenehm kühle Stunde zum radeln zu haben.

Auf der kleinen Straße kommen wir nur langsam voran, da wirklich alle Probleme mit der Klimaumstellung haben und zwei unserer Leute sitzen mit Sommergrippe im Bus. Auch ich schleppe mich nur mit einiger Mühe vorwärts und in nahezu jedem Dorf müssen wir stoppen und die Kühltruhe plündern.

Vormittags geht es durch weite Maisfelder, ab und zu gibt es auch ein großes Feld mit Lotuspflanzen, deren Wurzeln wir alle als kaltes Gericht mögen.

An der Brücke über den Wei-Fluss verlieren wir unsere Begleitfahrzeuge, da die Brücke nur für den kleinen Verkehr zugelassen ist. Dafür wimmelt es hier nur so von Radfahrern und Minnitraktoren und chinesischen Dreiradkarren. Die Poller an der Brücke sind so gebaut, dass letzter gerade mit einem Zentimeter Luft links und rechts passieren können.

Nachmittags halten wir uns dann mit einer Nudelsuppe und viel Eis über Wasser und heute werden wir einen sehr langsamen Durchschnitt fahren, obwohl das Streckenprofil eher flach ist. Dafür rinnt der Schweiß in Strömen und für mich ist es nur noch ohne T-Shirt auszuhalten, damit auch jeder Luftzug kühlende Wirkung hat.

 

Reichlich müde erreichen wir den letzten Anstieg vor dem Zielort Baishui, dafür liegt das Hotel gleich am Ortseingang und die gut klimatisierten Zimmer versprechen Kühlung. Mit meiner Gruppe bleibe ich dann im Hotelrestaurant, das mit einer reichen Auswahl an raffinierten vegetarischen Gerichten aufwarten kann und danach sind wirklich alle schwer müde von der Hitze dieses tropisch warm-feuchten Tages.

Freitag, 18. Juli 2008, Von Xian nach Lintong, 39 Kilometer, 453 Höhenmeter: „Graue Soldaten und buntes Feuerwerk“

Donnerstag, den 24. Juli 2008


Heute wird wohl einer der geschichtlich interessantesten Tage, steht doch die weltberühmte Terrakotta-Armee auf dem Programm. Doch diese steht nicht direkt in Xian, sondern 35 Kilometer entfernt in der Nähe der kleinen Stadt Lintong.

Die Stadtausfahrt mit zwei großen Gruppen ist schon ein Abenteuer alleine. Im großen Pulk wühlen wir uns durch den dichten verkehr der 4 Millionen Einwohner zählenden Stadt. Schwer zu kämpfen haben wir immer wieder mit den Busfahrern, die oft auf brutalste Art und Weise unser Feld sprengen wollen. Wir sind solche Fahrstile aber inzwischen gut gewöhnt und halten unsere Gruppe zusammen und kommen so gut aus der Stadt heraus.

Für einige sind es heute die ersten kilometer auf dem Weg nach Beijing und so bleiben wir die ganze Strecke auch zusammen. Aus Xian heraus biegen wir dann auf Nebenstraßen und schmale Wege ab. In einer lang gestreckten Kolonne geht es dann durch die Dörfer und Maisfelder.

Heute zeigt sich, dass wir wieder einmal eine andere Klimazone erreicht haben. Nach den kühlen und feuchten Tagen brennt heute die Sonne wieder, aber die Luftfeuchtigkeit ist unheimlich hoch und alle Sachen kleben am Körper und schon die kleinste Steigung verursacht einen Schweißausbruch.

Deshalb brauche ich nach der mittäglichen Ankunft im Hotel in Lintong auch erst einmal dringend eine Dusche. Danach geht es flugs ins Restaurant für ein schnelles Mittagessen, dass sich dann doch etwas länger hinzieht. Ein Teil der Leute möchte dann mit dem Rad zur Terrakotta-Armee und der andere teil fährt mit dem Bus.

Auf historischem Grund fahren wir hier, denn hier um Xian ist die eigentliche Wiege des chinesischen reiches. Schon tausend Jahre vor der Zeitwende gab es hier in schneller Folge mächtige Staaten und Königreiche, die etwa 380 Jahr vor Christus dann zu einem ersten chinesischen Reich durch den Gelben Kaiser Qin Shi Huang Di zusammen gefügt worden sind.

Dieser Kaiser beansprucht für sich und seine Leistung Unsterblichkeit und ließ sich ein riesiges Grabmal, geschützt durch eine Tonarmee mit mehr als 9000 Soldaten schützen. Der Grabhügel liegt noch heute unangetastet in der Landschaft. Wissenschaftler vermuten in dem Hügel eine kostbare Grabanlage mit Beigaben in unschätzbarem Wert. Doch der Sarg des Kaisers soll in einem Quecksilbersee schwimmen und Probebohrungen ergaben auch stark erhöhte Quecksilberwerte. Noch gibt es keine Technologie um die Anlage unbeschädigt zu öffnen und so hat die chinesische Regierung Grabungsstopp angeordnet und die Geheimnisse der Anlage werden wohl noch Jahr oder Jahrzehnte unangetastet bleiben.

Wir lösen unsere Tickets für den freigelegten teil, die weltberühmte Armee der Tonkrieger und marschieren erst einmal die Straße der Verkäufer entlang, die hier die Kopien der Soldaten in allen Größen und Ausführungen verhökern.

Der Kinosaal bietet eine Unendlichschleife eines Filmes über die Entstehung und Zerstörung der Grabanlage. Zuviel lastete auf dem Volk des ersten gelben Kaisers, die ersten Teile der großen Mauer entstanden, neue Städte, Feldzüge, die Grabanlage und die Tonkriegerarmee. All dies ließ das Land ausbluten und führt zu Unruhen und so wurden die Tonkrieger schon durch einen Bauernaufstand zerstört, bevor die Anlage fertig gestellt war.

 

Doch auch die Überreste sind beeindruckend. In der riesigen Grabungshalle sind die tausenden von Soldaten aufgestellt und aufgereiht. Kein Gesicht der lebensgroßen gestalten, die alle in mühseliger Handarbeit hergestellt wurden, gleicht dem anderen und es gibt Fußsoldaten, Kavallerie und Bogenschützen. Trotz des gewaltigen Andrangs ist die Anlage überwältigend, auch für mich, obwohl ich hier nun schon zum dritten Male bin.

In einer zweiten halle befindet sich der Gefechtsstand mit Offizieren und Generälen, leider noch weniger dgut erhalten, aber in dieser Halle gibt es auch Glasvitrinen mit Soldaten, die man fast hautnah betrachten kann. Fasziniert stehe ich vor den Tonsoldaten in Grau und bewundere die Einzelheiten und Details an den Uniformen. Alles ist bis in kleinste detailgetreu wiedergegeben und es sieht wirklich so aus, als ob der Soldat mitten im Leben von einer Hexe verzaubert und versteinert wurde.

Ursprünglich waren alle Soldaten bunt bemalt, aber nach den Ausgrabungen verblassten die Farben innerhalb weniger Stunden. Auch deshalb sind große Teile der Armee, die in den frühen 70er Jahren entdeckt wurde, bisher noch immer mit gelbem Lehm bedeckt und Wissenschaftler arbeiten an Konservierungsmethoden.

Gute drei Stunden brauchen wir, bis wir alles gesehen haben, ich erstehe noch eine Tüte mit Soldatenfiguren für einen Yuan, also 10 Cent das Stück als Andenken und Mitbringsel, auch wenn ich weiß, dass sie gar nicht mehr in den Koffer passen.

Zurück im Hotel lassen einige das Abendessen ausfallen und bewundern dafür ein riesiges Feuerwerk aus Anlass der Eröffnung eines Kaufhauses. Gute dreißig Minuten schießen Raketen in den Himmel und explodieren in bunten Ringen, Kugeln und Fontainen. Was hier aus Anlass einer Kaufhauseröffnung geboten wird, stellt ein Jahreswechselfeuerwerk in Berlin am Brandenburger Tor in den Schatten und ich sehe staunend bis zum Verglühen der letzten bunten Funken zu, obwohl ich zeitig ins Bett wollte.

Donnerstag, 17. Juli 2008, Ruhetag in Xian

Donnerstag, den 24. Juli 2008


Morgens heißt es heute einmal ausschlafen und dann das reichhaltige Buffet genießen. Gegen 10 Uhr sind dann alle bereit zur Besichtigung der historischen Metropole, die diese Stadt schon immer gewesen ist.

Schon 200 Jahre vor Christus war hier eine riesige Metropole mit einer Millionen Einwohner innerhalb der Stadtmauern und noch einmal so vielen Menschen, die vor den Toren der Stadt lebten. Wenn man dies mit Städten in Europa oder im alten Griechenland vergleicht, zeigt sich wie weit die Entwicklung hier schon fortgeschritten war, denn hinter dieser Zahl steckt ja eine schier unmögliche logistische Leistung, da diese Stadt ja auch versorgt und verwaltet werden musste und lässt uns nur ahnen, wie belebt und geschäftig es auf den Straßen zuging. Auf alle Fälle wird verständlich, warum hier in der ursprünglichsten chinesischen Region überhaupt so intensiv Landwirtschaft betrieben wurde und werden musste.

Wichtigste Voraussetzung für ein Staatswesen solchen Ausmaßes war eine strenge Religion, die die Beziehungen zwischen den Klassen und Schichten fest regelt und wenig Spielraum für Individualismus und Revolutionen zuließ und da kam natürlich nur der Konfuzianismus in Frage, bei dem die Herrschaft der Edlen und Gerechten nicht in Frage gestellt wird. Allerdings erhebt der Konfuzianismus auch hohe Ansprüche an den Herrscher, als intellektuell und moralisch überlegenen Regenten.

 

Wir bewegen uns jedoch erst einmal durch das alte Stadtviertel, touristisch komplett erschlossen und ein Kitschladen reiht sich an den nächsten Fressstand. Von der chinesischen Fahrradklingel über Maoposter, Olympia-T-Shirts, Rolex-Kopien bis hin zu gerösteten Nüssen und anderen Leckereien ist hier alles zu bekommen. Versteckt in diesem Viertel, das hauptsächlich von den Hui, den chinesischen Moslems, bewohnt wird, befindet sich die alte Moschee, die in einem chinesischen Tempelkomplex untergebracht ist. Von außen sieht es aus wie ein schöner chinesischer Park mit Tempelchen und einer kleinen Pagode und nur die hintere Halle ist zum Gebetssaal umfunktioniert und für „Ungläubige“ nicht zu betreten.

Weiter führt uns dann der Weg an modernen Kaufhäusern und Einkaufstraßen vorbei, auf denen das leben tobt. Vom alten China ist hier zwischen den Hochhäusern wenig zu spüren, aber von einer boomenden Wirtschaftsmacht doch sehr viel.

Am Rande der Stadtmauer liegt dann der Stelenwald, eine der ältesten Bibliotheken der Welt. Oftmals getragen von Schildkröten gibt es hier Unmengen mit Steinstelen aus den verschiedensten Dynastien. In diese Stelen sind Texte eingraviert und damit für immer verewigt. Die ältesten texte stammen aus der Han-Dynatie und es gibt Abhandlungen zur Moral oder aber auch Wörterbücher, die den Sinngehalt einzelner chinesischer Zeichen erläutern, eine Fundgrube für Wissenschaftler und ein kryptischer Augenschmaus für Touristen wie uns.

In einer der hinteren Halle werden dann Abzüge von den schönsten texten gefertigt. Auf eine Stele wird ein grobfaseriges nasses Papier aufgelegt und mit der Bürste werden die Vertiefungen hineingearbeitet. Nachdem das Papier fast getrocknet ist, wird dieses mit Tusche überrollt und man bekommt so eine farbumgekehrte Kopie vom Text, wenn das Papier von der Stele vorsichtig abgezogen und zum Trocknen ausgelegt wird.

Xian ist eine der wenigen chinesischen Städte, in denen die Stadtmauer während der Kulturrevolution nicht abgerissen wurde und die noch vollständig erhalten ist. Wir heben uns einen Besuch für später auf und wollen dann einmal mit Fahrrädern auf der 13 Kilometer langen Mauer entlangfahren, doch vorher steuern wir die Kleine Wildganspagode an. Leider fängt es heftig an zu regnen und so brechen wir unser Besichtigungsprogramm in einem Lokal in der Nähe der Pagode ab und lösen uns auf und auch die Stadtmauerrundfahrt löst sich im Regen auf.

Mir bleibt dann endlich ein bisschen Zeit zum verschnaufen, ich beantworte meine Mails und mache ein Spätnachmittagsschläfchen und bereit mich auf ein gutes Abendessen vor, zu dem wir um 19 Uhr aufbrechen.

Wir gehen in ein teures Kultlokal, das auf Jiaotze, den gedämpften oder gekochten gefüllten Teigtaschen, spezialisieret ist und lassen ein 23 Gänge Menü über uns ergehen. Jiaotze in allen Varianten, große und kleine, gedünstete, gekochte, gedämpfte und sogar gebratene, die mit Huhn sahen aus wie kleine Hühnchen und die mit Fisch wie kleine Fische und alle total lecker.

Reichlich abgefüllt brauche ich noch einen kleinen Spaziergang und bewege mich schwerfällig noch einmal die belebte Hauptstraße hoch und runter. Auf den Bürgersteigen sitzen die Straßenhändler und verkaufen Handys, T-Shirts und Kitsch. Überall tobt das Leben, keiner möchte nach Hause gehen, nur ich bin müde und freue mich auf mein Bett im Hotel.