113. Tag: Samstag, der 6. August 2011

6. August 2011

Dicke Regenwolken über der Sommerjurte

103 km von Suchbaatar nach Darcham, 661 hm durch die Wald- und Grassteppe, angenehm gute Straße mit wenig Verkehr, bis Mittag Regen bei 18 Grad, dann trocken und ein bisschen wärmer

Der Morgen beginnt, wie der Abend aufgehört hat, es regnet und regnet und will nicht wieder aufhören. Auf den Straßen gibt es riesige Pfützen durch die wir tauchen müssen, erst ab dem Ortsausgang wird es besser. Es ist eine verzauberte Landschaft, durch die wir fahren. Dichter Dunst hängt über den Weiden. Die Weite der Landschaft entschwindet im Grau, aus dem sich ab und zu ein berg oder Hügel abzeichnet. Auf den weiden neben der Straße sehen wir dann auch die ersten Jurten und aus der grauen Ferne hört man ab und zu ein „Määäh“ der Schafe. Bis zum Mittag sind wir alle klitschnass und die kleine Raststätte erscheint uns als rettende Idylle. Leicht gesalzener Milchtee wärmt durch und die Nudeln geben Kraft für den Nachmittag und es tröpfelt auch nur noch ein bisschen, als wir weiter fahren.

Endlich hört der regen dann ganz auf und wir können auch etwas von der weiten Landschaft sehen. Weiße Tüpfelchen gibt es überall am Flusslauf entlang, die Jurtensiedlungen der nomadischen Mongolen. Wir biegen einmal links ab und werfen einen Blick in das Zuhause einer Familie. Drei Generationen leben in dem runden Zelt, die Männer sind mit den Tieren unterwegs, die Kinder spielen und die Frauen waren gerade beim Mittagsschlaf. Mehr als zwei Betten und einen kleinen Tisch mit Fotos und einem Buddha gibt es nicht im Zelt. Ein kleiner Fernseher und eine Glühbirne klemmen an einer Autobatterie, die durch ein Solarpanel gespeist wird. In der Sommerjurte gibt es keinen Ofen, gekocht wird in einer kleinen Bude nebenan, wo wir von dem sauren Trockenkäse probieren dürfen. Die Kids freuen sich riesig über die bunten Luftballons, die wir dalassen. Die Familie hier zählt zu den ärmeren Familien mit nur wenigen Tieren, sie haben eine Hand voll Kühe und an die dreißig Schafe. Mehr Geld kann man mit den Kashmirziegen verdienen, die aber die Pflanzen aus dem Boden reißen und das Weideland nach und nach unbrauchbar machen.

Bis zum Abend bekommen wir noch die gesamte Tierwelt der Nomaden zu sehen, eine Kamelherde wird durch die Ebene getrieben, langhaarige Ziegen und Schafe weiden auf den Hügeln. Eine Hirtin umkreißt, die Peitsche schwingend eine große Pferdeherde. Auf eine Siedlung mit festen Gebäuden treffen wir erst am Abend, Darcham ist die viertgrößte Stadt der Mongolei mit 40.000 Einwohnern. Es gibt Altdarcham und Neudarcham, wobei beide Städte mit nur einem Jahr Zeitunterschied in den 60er Jahren gegründet wurden.

Etwas Industrie gab es früher hier, nach der Einführung der Marktwirtschaft und mit dem Ende des mongolischen Sozialismus brachen auch hier viele Betriebe zusammen, aber die Wirtschaft beginnt wieder sich zu beleben. Der langsame Aufschwung ist im Gegensatz zu Russland auch spürbar. Am Stadtrand wird gebaut und in den Grundstücken stehen neben den Fundamenten für die Holz- oder Steinhäuser die Jurten im Garten. Auch in Darcham sind die Plattenbauten des Sozialismus recht ordentlich saniert und machen nicht den Eindruck der verödeten Triestesse, wie wir sie noch vor ein paar tagen im „Mutterland des Kommunismus“ gesehen haben. Leider bleiben wir weiterhin ohne Internet im Hotel und da ich mit einem leichten Infekt kämpfe, habe ich auch keine Lust, mir ein Internetcafe zu suchen.

Das Restaurant ist mit unserer großen Gruppe wieder gnadenlos überlastet, von der Bestellung bis zum letzten servierten Essen dauert es drei Stunden. das Essen ist recht gut und abwechslungsreich, die Salate sind erfrischend leicht, was ich in der Mongolei nicht erwartet hatte, gibt es doch hier nur sehr begrenzte Möglichkeiten für Ackerbau. Außerdem ziehen die Mongolen traditionell eine sehr fleischreiche Kost vor und so lassen sich soziale Unterschiede sehr leicht am Körperumfang fest machen. Wer nicht mehr den ganzen Tag zu Fuß oder zu Pferde mit den Tieren unterwegs ist, sondern es sich leisten kann auf einen japanischen Jeep umzusteigen, der legt recht schnell um die Hüfte zu.

112. Tag: Freitag, der 5. August 2011

5. August 2011

Donnergrollen und zurück in die Zivilisation

Langwieriges Procedere an der russischen Grenze, keine Probleme bei der Einreise in die Mongolei, 28 Kilometer von Kjachte nach Suchbaatar, mongolisches Essen, am Morgen Gewitter, dann schön und abends wieder Gewitter

Über der Mongolei auf der anderen Seite ziehen dunkle Wolken zusammen und pünktlich, als wir auf unsere Rädersteigen fängt es an zu regnen. Das wird ja eine tolle Begrüßung! Wir radeln schnell die zwei Kilometer bis zur Grenzstation, dort ziehen wir erst einmal ins kleine Lokal von gestern Abend ein und plündern diesmal die Frühstücksvorräte.

An der Grenze stehen die LKW und ein paar Autos vielleicht 500 Meter lang. Eine Kolonne von 5 Trucks, die uns gestern Mittag überholt hat steht irgendwo in der Mitte, das heißt die Grenz-oder Zollabfertigung bei den Russen ist nicht die schnellste. In einer Regenpause huschen wir vorne ans Tor, dort werden immer nur 4 Fahrzeuge eingelassen und wir dien „Generalin“ dort verlauten lässt, sollen auch wir in kleinen Gruppen zu vier Leuten dort die Grenze überwinden dürfen, aber erst in einer Weile. Wieder grollen die Donner und es fängt an zu schütten und die Weile dauert 45 Minuten, ehe wir eingelassen werden und auszureisen. Wir dürfen dann doch in der ganzen Gruppe ins Niemandsland und glücklicherweise ist die Zollstation überdacht. Dort werden gerade Russen, Mongolen und Burjaten gründlich auseinander genommen, aus jedem Fahrzeug muss alles Gepäck raus und dann steigen die Zöllner ein und führen auch ihre „bekiffte Töle“ (Drogenhund) durch. Auch an unseren Rädern wird der Schäferhund vorbei geführt. Man fürchtet Drogenhandel und Schmuggel und es geht zu wie an der innerdeutschen Grenze einstmals. Probleme bereiten die neuen deutschen Pässe mit der Passnummer aus Buchstaben und Zahlen, was für die Deutschen ein „C“ ist für die Russen ein „S“ und die ist das „O“ nun ein „O“ oder eine „0“, das kann der Computer nur schwer erkennen und so dauert es hier auch noch einmal eine gute Stunde, bis wir alle ausgestempelt sind. Russland, der Baikal und Sibirien liegt hinter uns!

Bei den Mongolen geht alles ganz fluffig, schnell haben wir unsere Stempel, für den Zoll sind wir nicht interessant und eine Wechselstube gibt es auch. „Tugrug“ heißt die mongolische Währung, für ein Eurolein gibt es ruckzuck 1.750 Tugrug, der größte Schein ist 20.000, also ein 12 Euro-Schein. dann verlassen wir wieder durch ein Tor das Niemandsland und sind in der Mongolei. Die Regenwolken haben sich auch verzigen und die Sonne lacht uns an. Hinter dem Tor wartet dann Mugi, die Organisatorin unseres Mongolei-Trips mit dem Bus auf uns und wir werfen erste neugierige Blicke umher. Die vorwiegend Holzhäuser unterscheiden sich hier kaum von der russischen Seite, aber alles macht einen ein wenig ordentlicheren Eindruck und man sieht mehr Menschen auf der Straße und natürlich keine Russen mehr, sondern rundgesichtige Mongolen. Neugierig werden wir bestaunt und man sieht viele freundliche und lachende Gesichter. Leider bin ich jetzt an meinem Sprchenhorizont angelangt und kann mich auch nur noch durch Gestik und Mimik unterhalten.

Die Landschaft wird für die nur 24 Kilometer, die wir hier zu fahren haben offener und weiter und wir rollen durch eine weite Grassteppe bis nach Suchbaatar. Die Stadt macht einen gepflegten Eindruck, zwar dominieren auch sozialistisch Plattenbauten aus den 70er Jahren, allerdings sind diese gelb angemalt und mit „Ethnodekor“ versehen. Im Zentrum wimmelt es vor Leuten und in der Stadt gibt es zahlreiche kleine Hotels und Restaurants. Mit gebratemen reis und Gemüse oder Fleisch genießen wir eine erste Portion mongolisches Essen. Das Bier müssen wir von außerhalb holen, da der Laden keine Ausschanklizenz hat.

Im Hotel sieht es auch besser aus als in Russland, nette große Zimmer, vernünftige nicht zu weiche Betten und ein funktionierend warme Dusche. Wir sind zurück in der Zivilisation- der sozialistische Trott schein in der Mongolei besser überwunden als bei den Russen.

Der Spaziergang durch die Stadt fällt leider gründlich ins Wasser, ein weiterer Gewitterguss geht in regen über und wir bestürmen lieber Mugi im Restaurant mit vielen Fragen zum Lande. Die Portionen an Salat, Suppe und gebratenen Nudeln sind mehr als riesig, wir haben gründlich zu viel bestellt, da wir immer noch die russischen Miniportionen gewohnt sind und es gelingt uns nicht im Ansatz aufzuessen. Schlechte Aussichten also für das morgige Wetter. Mit übervollen Bäuchen schleppen wir und dann in die Betten und lauschen dem Regen, der draußen weiter fällt.

111. Tag: Donnerstag, der 4. August 2011

4. August 2011

Bergiger Abschied von Sibirien und Russland

128 Kilometer von Gusinoosersk nach Kjachta, 1300 heftige Höhenmeter bei grandiosem Wetter bis 26 Grad, herrliche weite Grassteppen

Am Morgen bestätigt sich noch einmal der Eindruck, den wir von Gusinoosersk bekommen haben. Einzelne der sozialistischen Plattenbauten stehen leer und verstärken die Ödnis der abgewrackten und noch bewohnten Bauten. Die Straßen im ganzen Ort sind eine Katastrophe, was die Dorfjugend nicht davon abhält mit ihren alten Ladas wie bescheuert durch die Schlaglöcher zu rasen. Vor einem Wohnsilo weidet eine Herde Pferde. Und vor dem Ort gibt es riesige Datschensiedlungen, von denen keine einzige mehr bewirtschaftet wird, alle Hütten und Bungalows sind Ruinen und dazwischen Ödland und überall dahinter das Kraftwerk, das einstmals Wohlstand in das Nest gebracht hatte.

Gleich von Beginn an geht es gut bergig zur Sache und wir klettern gleich auf über 800 Meter Höhe, dann biegt die Straße etwas nach links und wir verabschieden uns von der Selenga und erreichen einen kleinen Pass und eigentlich ein anderes Land. Die Landschaft öffnet sich und vor uns liegen weite grüne Hügel, manchmal ein paar Kiefernwälder und man kann in aller Richtungen fast unendlich weit blicken, überall grüne Weiden und Weiten. Wir haben mit dem Pass landschaftlich Sibirien verlassen und die Waldsteppen der Mongolei erreicht. Die vereinzelten Stupa am Wegesrand verstärken den Eindruck noch, wir sind nicht mehr in Russland. Die Burjaten sind je mit den Mongolen mehr als verwandt und ich denke selbst ein hier lebender Mensch kann einen Burjaten rein optisch nicht vom Mongolen unterscheiden.

Unser Bus ist heute ein Krankenlager, gleich fünf Leute haben sich auf die Plätze verabschiedet und dösen vor sich hin. Ich muss wieder gleich sagen, dass sich zu Hause niemand um niemanden Sorgen machen braucht, alle sind wieder wohlauf!!! Wir haben gerätselt, warum es gleich fünf Leuten auf den Magen-Darm Trakt geschlagen hat und haben die Teigtaschen von gestern in Verdacht, obwohl zwei oder drei Leute mehr, inklusive mir, davon gegessen hatten.

Die anderen genießen das Sommerwetter in vollen Zügen,es ist warm, fast heiß und wenn der nächste der vielen Hügel und Berge naht, fast schon wieder zu heiß. Julia macht dann auf halber Strecke den Fehler und erklärt, dass nur noch zwei Berge kommen, aber ich habe meine Zweifel, die Landschaft gibt das einfach nicht her. Aber wir sind ja einiges gewohnt und kämpfen uns gemütlich den nächsten und den nächsten und den nächsten Anstieg empor. Die Belohnung erfolgt dann immer mit einer grandiosen Abfahrt in die Weite.

Am letzten Anstieg, also dem wirklich letzten setzt sich Julia auch noch einmal mit auf Rad und kommt recht schnell ins Schwitzen, vielleicht will sie ja im nächsten Jahr die Tibet Tour mitfahren, aber bis dahin muss sie noch ein wenig trainieren.

Wieder relativ spät erreichen wir dann Kjachta den Grenzort. Dort ist massiv viel Militär stationiert, riesige Kasernengelände gibt es am Stadtrand und einen riesigen Parkplatz mit T72 Panzern, aber heute traue ich mich nicht, ein Foto zu machen. Die Armee sei hier gegen die Chinesen und nicht gegen die Mongolen und wir machen Witze, dass die Chinesen sowieso eher auf ökonomischen Weg ihre Ziele durchsetzen und wenn sie schon militärisch hier eingreifen würden, wohl auch mit modernerer Technik anrücken würden.

Das Hotel ist in Ordnung und wir alle stürzen schnell unter die Duschen und dann zum Abendbrot ins einzige Lokal direkt an der mongolischen Grenze. Dort plündern wir sämtliche Bestände an vorhandenen Lebensmitteln und sagen uns für den nächsten Morgen wieder an. Dann geht die Verabschiedungsreihe los, die letzte Nacht in Russland ist angebrochen und wir sagen Auf Wiedersehen zu Julia, der Chefin von Baikal-Holiday, es war sehr schön hier in der Baikal Region und in Burjatien und es hat uns allen außerordentlich gefallen.Auch von Pawel, unserem Busfahrer, verabschieden wir uns und intonieren gleich noch ein Liedchen. Dann fahren die beiden wieder zurück nach Ulan-Ude und wir verschwinden in unseren Betten.

110. Tag: Mittwoch, der 3. August 2011

3. August 2011

Tantrischer Buddhismus und elektrische Tristesse

107 Kilometer von Ulan Ude nach Gusinoosersk, warme 25 Grad, angenehme 364 Höhenmeter, Besichtigung des buddhistischen Tempels in Iwolginski

Die Nacht war der reinste Horror, unter meinem Zimmer hämmerte die Techno-Mucke bis 5.30 Uhr, meine Freundin und ich haben keine Auge zu getan. Ich habe die Dame an der Rezeption vollgenölt, sie sagt, dass der Rum vermietet worden sei für die Nacht und das in einem Vier Sterne Hotel, tagsüber fährt die Straßenbahn faktisch durch Hotelzimmer, es fühlt sich a, wie ein Erdebeben der Stärke 4. Es wird wirklich zeit, dass wir wieder in zivilisierte Länder kommen.

Meine Freundin düst heute wieder nach Hause und muss dort weiter 3 Monate auf mich warten. Ich bin also nicht nur müde, sondern auch ein bisschen traurig, aber das vergeht auf dem Fahrrad recht schnell. noch einmal geht es am „burjatischen Lenin“ vorbei und dann heraus aus der Stadt.

Nach knapp 2 Stunden erreichen wir Iwolginki. Dort gibt es ein großes buddhistisches Kloster, die größte buddhistische Tempelanlage in Russland. Die Burjaten sind Anhänger des Vajrayana Buddhismus, des tantrischen Buddhismus, den es auch in Tibet gibt. Das erklärt auch das große „Om Mani Patme Hum“ Mantra auf einem Berge vor Ulan Ude. Wir brauchen knappe zwei Stunden, um uns hier satt zu sehen, denn es ist der erste Tempel auf unserer Reise. Auf einem Rundweg geht es im Uhrzeigersinn durch die Anlage und vorbei an Gebetsmühlen und den Wohnhütten der Mönche. Die Anlage ist noch recht neu, denn während der Sowjetzeiten war das Kloster geschlossen und wurde erst in den 90er Jahren wieder eröffnet. Dann kommen wir an kleinen schönen weißen Stupa vorbei und besichtigen die Tempel, die hier hauptsächlich Tara gewidmet sind, die ich in einer anderen Inkarnation aus Südchina als Guanyin, die „Göttin“ der Barmherzigkeit kenne und die einige der wenigen weiblichen Inkarnationen eines Boddhisattvas ist.

Wir freuen uns auch über die vielen „neuen“ Gesichter, denn zahlreiche Burjaten kommen zum Pilgern hierher und drehen ebenso ihre Runde, die streng gläubigen für jedes Lebensjahr eine. Bei dem Alter einiger unserer wackeren Truppe wären wir wohl hier eine ziemlich lange Weile beschäftigt.

Als wir dann wieder auf den Rädern sitzen steht die Sonne im Zenit und ballert ordentlich. Zum Glück bleiben uns heute länger Anstiege erspart, es geht immer im weiten Tal der Selenga entlang und die Landschaft ist sehr schön. Es gibt nicht mehr viel an Orten rundherum und wir sind froh, als wir gegen 14 Uhr eine Raststätte erreichen. Vorher gab es gerade einmal zwei oder drei Ortschaften, die auch nicht direkt an der Straße, sondern auch noch links oder rechts ein paar hundert Meter entfernt. Viel Verkehr gab es nicht auf der Straße und auch die Raststätte ist mit der Gruppe fast überlastet und wir plündern fast die gesamten Vorräte an Salat und Teigtaschen mit Hammelfüllung. Auch in der Suppe ist Schaffleisch, es geht also auch kulinarisch schon eher mongolisch zu.

Der Ausflug in den buddhistischen Tempel hat jede menge Zeit gekostet und so wird es recht spät, als wir in Gusinoosersk einziehen. Das Nest ist eine regelrechte Einöde. Einstmals gab es in der Umgebung viel Braunkohle, von denen heute noch ein paar Tagebaue zeugen und ein riesiges Wärmekraftwerk. Dadurch hat sich die Stadt entwickelt und große Wohnviertel mit Plattenbauten entstanden. Heute wirkt alles verwahrlost, viele Gebäude stehen leer, der Straßenbelag ist katastrophal und wir sind der einhelligen Meinung, dass hier ein prima Ort für die Verbannung wäre: Ödnis am Ende der Welt.

Am Abend haben wir ein leckeres Abendessen direkt im Hotel, in dem es nur eine warme Gemeinschaftsdusche gibt. Die meisten haben deshalb auf eine heiße Dusche verzichtet. Auch haben zwei meiner Reisenden ein wenig Darmprobleme und keinen großen Appetit

Nach dem Essen sitzen wir noch bis nach Mitternacht und diskutieren mit Julia, der Chefin des lokalen Reisebüros, wir das Land zu entwickeln sei. Einige meinen man müsse nur genügend Investitionsbedingungen schaffen und es würde hier recht gut laufen. Julia und ich diskutieren massiv dagegen, hier hat niemand Geld für irgendetwas, wer Initiative besitzt geht weg und alle anderen sind Alkoholiker. Es hat hier niemand Interesse an Entwicklung, die alte sowjetische Mentalität sitzt einfach noch zu tief. Prost!

109. Tag: Dienstag, der 2. August 2011

2. August 2011

Unter den Augen Lenins

Ruhetag in Ulan Ude, Stadtspaziergang und Fahrt ins Freilichtmuseum der Burjaten

Der erste Ruhetag für unsere große Gruppe und den haben wir uns verdient nach den ersten anstrengenden Tagen und dem Schock von gestern. Die Chance, dass die beiden gestohlenen Räder wieder auftauchen ist gering, zumindest für uns, man müsste vielleicht in zwei oder drei Wochen über den Schwarzmarkt schlendern. Aber bis Ulan Bator kommen wir auch mit zwei fehlenden Fahrrädern und danach können wir wieder jedem ein Rad geben.

Wir genießen unser Frühstück und starten nicht zu zeitig in den Tag, schließlich muss wieder einmal Wäsche gewaschen werden und Ausschlafen ist auch eine tolle Sache.

Die wichtigste Sehenswürdigkeit der Stadt ist ein riesiger Leninkopf der für irgendeine Weltausstellung geschaffen wurde. nach der Weltausstellung hat man dann in Moskau überlegt, wohin mit dem Koloss und sich für Burjatien entschieden, vielleicht auch wegen des leicht asiatisch-mongolischen Aussehens der Skulptur. und wirklich hat der Kopf recht schmale Augen und tiefe Furchen und sieht gar nicht so wie andere Lenins aus. Natürlich verabreden wir einen Fototermin für den Abend, wenn die Sonne günstiger scheint.

Ansonsten macht die Stadt einen sympathischen Eindruck. Burjatien ist ja eine eigenständige Republik und so gibt es auch diverse Regierungsgebäude und ein sehr schönes Theater und eine nette Fußgängerzone, die der „Arbat“ von Ulan Ude genannt wird und der mir besser gefällt als die überlaufene Touri-Meile Moskaus.

Am Nachmittag fahren wir in ein Freilichtmuseum, dass die Gewohnheiten der drei Kulturen, die hier aufeinander prallen, recht gut darstellt. Da sind einmal die Ureinwohner der Region, die Ewenken, ein Naturvolk, dass nicht nur ethnisch mit den amerikanischen Indianern verwandt ist. Die Jagdhütten aus Birkenrinde oder Fellen erinnern sehr an Tipis. Von diesem Volk stammt auch der Schamanismus und eine reiche Welt an geistern und schwarzer und weißer Magie. Dann gibt es natürlich die Burjaten, das mongolischstämmige Volk und die Russen. Alles ist hier im weitläufigen Museum recht gut vertreten, etwas trostlos ist der kleine Zoo mit den Kamelen und den traurigen Bären und den noch traurigeren Tigern in zu kleinen Käfigen.

Am Abend machen wir dann unser Gruppenfoto vorm Lenin und ziehen wieder ins gleiche Lokal und genießen wahrscheinlich unser letztes richtig gutes russisches Abendessen und die mit Nüssen oder Schafskäse gefüllten Auberginen als Vorspeise waren wirklich genial.