Archiv: 2009 Ganz China!

34 Tag: 29. April 2009

Mittwoch, den 6. Mai 2009

20 Radkilometer in der Stadt, Stadtrundfahrt, Versuch eines Teehauses und abends dann aufs Schiff

Nach dem Frühstück steigen Heino und Philipp auf die Räder, wir wollen uns noch ein paar interessante Seiten der Stadt ansehen. Zuerst geht es durch die belebte Fußgängerzone und dann wieder runter zu den Docks. Heute ist die Sicht über den Fluss auf die andere Seite etwas bessere und wir wollen schon einen ersten Blick auf das Schiff werfen, mit dem wir ab heute Abend den Yangtze herunter schippern wollen. Das Dock, von dem wir starten ist schnell gefunden und dort liegen aber mindestens fünf Schiffe, wir werden also noch abwarten müssen.

Am Ufer ist reger Betrieb, eine Handelsfirma präsentiert ein mäßig interessantes Programm mit einigen Sängern, der tanzenden Rentnergruppe und dem Chor der Angestellten. Interessanter für uns sind die Leute, die zusehen.

Auf der anderen Seite des Platzes trainiert die Trommelgruppe. Auch hier sind alles Damen im reifen Alter, aber sie haben sichtlich Spaß an ihrem Getrommel und kommen immer mehr in Fahrt.

Danach geht es vorbei an langen Restaurantzeilen unter der ersten Etage der Stadtautobahn, hier herrscht reines chinesisches Leben, Ausländer verirren sich kaum hierher; Küche an Küche und Straßenrestaurant an Straßenrestaurant. Fast überall gibt es massenhaft Seafood oder Ma-La-Tang, eine etwas abgewandelt Variante eines Feuertopfes.

Einige der alten Straßenzüge sind renoviert worden und geben einen kleinen Eindruck, wie es vielleicht vor 60 Jahren hier ausgesehen haben könnte, als noch nicht die Hochhaustürme das Bild der Stadt beherrscht haben. Kleine, mit Ziegeln gedeckte Häuser kleben am steilen Hang, dazwischen gibt es enge Gassen und überall hängt die gewaschene Wäsche zum Trocknen vor den Fenstern.

Hinter dem alten Viertel beginnt die Hypermoderne, hier bündeln sich die Zufahrtstraßen zur großen Brücke über den Yangtze, vier oder fünf Etagen Schnellstraßen übereinander, die sich in engen Schleifen nach oben zur Brücke winden. Es sieht aus, wie auf Bildern, die wir früher in der Schule gemalt haben, zum Thema: „Wie stellst du dir das Leben im 21 Jahrhundert vor“. Der einzige Unterschied ist, das die Autos immer noch Dreck produzieren, entsprechen dunstig ist es in der Stadt und natürlich laut.

Zurück im Hotel geht’s noch einmal unter die Dusche und wir packen unsere Sachen zusammen. 14 Uhr checken wir aus und deponieren unsere Sachen noch bis zum Abend im Hotel. Philipp hat ein wenig Pech, seine Kamera funktioniert nicht mehr, das schon am ersten Tag und so gehen wir in eins der großen Kaufhäuser und erstehen noch ein neues Gehäuse für ihn. Dann gehen wir noch in ein Teehaus, das uns schon am ersten Tag aufgefallen war. Doch in dem alten Gebäude erwartet uns dann eine Kartenspielhölle und kein stilvoller Platz, um gemütlich Tee zu trinken.

Gegen 18 Uhr sind wir dann mit den Rädern am Dock, mit unserem Schiff haben wir Glück, wir sind nicht auf einem der großen Luxusschiffe für Ausländer, sondern auf einem chinesichen Liner und außer uns gibt es nur noch drei andere Langnasen, dafür aber um so mehr vergnügungssüchtige Chinesen.

An Bord werden wir auf die Kabinen verteilt, wir leisten uns den Luxus in kleinen Doppelzimmerchen allein zu wohnen. Neben den Doppelkabinen gibt es dann noch jede Menge Vierer und Achtbettkajüten, die von den Chinesen sofort in Spielhöllen umgewandelt werden. Das Schiff hat noch nicht abgelegt, schon wird Karten gespielt und auf dem Oberdeck wird Mahjiang gespielt.

Gegen 21 Uhr haben wir noch ein letztes Mal Gelegenheit einen Blick auf die erleuchtete Megastadt Chongqing zu werfen, dann tauchen wir unter zahlreichen Brücken hindurch ins Dunkel der Nacht ein.

Wir beenden den Abend im Restaurant und dann geht es in die Kajüte auf die harten Betten, aber bei dem leisen Grummeln des Motors und dem leichten Schaukeln des Schiffes lässt es sich gut schlafen.

33. Tag: 28. April 2009 „Faulenzen in Chongqing“

Mittwoch, den 29. April 2009

Außer einer Fahrt zum Flughafen um Philip abzugholen nichts bewegendes, keine Radkilometer und nur ein paar hundert Meter zu Fuß

Wieder gibt es ein spätes Frühstück und danach stelle ich die letzten drei Tage in mein Blog, gegen Mittag schnappen sich Hubert und ich ein Taxi und fahren zum Flughafen. Für Hubert ist der erste Teil der Tour so gut wie abgeschlossen und wir erwarten Philip, der jetzt einen Monat bei uns sein wird und bis Shanghai mitfährt.

Nach einer knappen Stunde haben wir über das Autobahngewirr den Flughafen erreicht und es bleibt noch genug Zeit für einen Kaffee, denn wir haben uns bei der Ankunftszeit um eine Stunde geirrt.

Philip kommt pünktlich und dann geht es zurück ins Hotel und bevor wir noch einmal eine Runde durch die Stadt machen, bringen wir die Räder auf Vordermann.

Erstmals wechsele ich meine Kette nach 2000 Kilometern, so wie vom Händler empfohlen, mal sehen ob es etwas bringt, den meinen letzten Antriebssatz (Kette, Block, Kränze) habe ich 15.000 km gefahren mit nur zwei Ketten gefahren und nun gilt es zu testen, ob die von der Industrie empfohlenen Kettenwechsel auch mehr Laufleistung bringen, was ich insgeheim bezweifle.

Abends ziehen wir noch ein wenig durchs belebte Zentrum und dann ist noch einmal Feuertopf angesagt, wir wählen diesmal ein anderes Lokal aus und es ist noch weniger scharf, als beim ersten Mal, ich bin fast ein wenig enttäuscht, für unseren „Neuern“ ist die Schärfe dagegen fast schon mehr als ausreichend und ich merke, dass nach vielen Jahren China mein Sinisierungsprozess weit voran geschritten ist, auch meine Augen sind schon signifikant schmaler geworden.

Nach dem Feuertopf geht es wieder in dieses Kaffee mit dem süßen Kuchen und dem hervorragenden Capuccino und danach zurück ins Hotel ins Bettchen.

32. Tag: 27. April 2009 „Ein anstrengender Ruhetag in Chongqing“

Dienstag, den 28. April 2009

Tagesausflug nach Dazu zu den buddhistischen „Felsschnitzereien

Wir gehen den Tag wieder gemütlich mit spätem Frühstück an, danach geht es per Taxi zum Busbahnhof. Dort herrscht dichtes Gedränge, doch wir finden schnell den richtigen Schalter für die Bustickets nach Dazu. In dem kleinen Städtchen, etwas 150 km nördlich von Chongqing gibt es aus dem Fels gemeißelte buddhistische Skulpturen aus der Tang, Song und Qing Zeit und die wollen wir heute besichtigen.

Der Verkehr auf einem chinesischen Busbahnhof ist ähnlich geregelt wie auf einem Flughafen, man kauft die Tickets und muss dann in die Wartehalle bis der Bus aufgerufen wird. Jeder hat ein elektronisch ausgestelltes Ticket mit Platznummer, so dass kein Gedränge im Bus entstehen kann.

Der Bus wühlt sich dann schon bald durch den dichten Stadtverkehr in Richtung Autobahn, der Fahrer ist der chinesische Bruder von Michael Schuhmacher und bläst rücksichtslos von Spur zu Spur. Zwei Stunden geht hier unser Großer Preis von Chongqing, dann kommen wir erschöpft von der Busfahrerei in Dazu an. Ein weiterer Rallye Fahrer im Taxi bringt uns dann aus der Stadt bis zu den Felsschnitzereien.

Bevor wir unseren Eintritt ablöhnen, kehren wir noch in ein Restaurant ein und Essen, Hubert und Heino finden das Essen sehr gut, ich finde es nur mäßig und schlecht gewürzt.

Im Schlepptau von vielen chinesischen Touristen geht es dann einen schmalen Weg in ein enges Tal hinab und an aus dem Fels gehauenen Skulpturen vorbei. Es gibt mehrere Gruppen interessanter Ensembles, einige aus den Tagen des beginnenden Buddhismus aus der Tang-Zeit, die Gesichter der Buddhas, Boddhisattvas und Heiligen sind noch deutlich euro-indisch geprägt.

Wie fast nicht anderes zu erwarten ist die Hauptattraktion, eine tausendarmige Guanyin-Figur natürlich eingerüstet und unter Rekonstruktion und so sammeln sich die Massen zum Fototermin vor dem Schlafenden Buddha.

Ich bin beeindruckt von den Figuren und der Vielfalt der Themen, die hier präsentiert werden. Leider macht der einsetzende Regen dem Rundgang ein schnelles Ende und für gute Fotos fehlt einfach das Licht an diesem trüben Tag.

Über die Rückfahrt vergehen wieder fast vier Stunden und wir kommen wirklich richtig müde wieder im Hotel in Chongqing an. Zu Abend essen wir an einem der vielen Straßenstände mit einem unheimlich reichhaltigen Angebot an gebratenem Fleisch und diversem Gemüse. Leider ist man dabei auch der Angriffspunkt für alle Straßenhändler, Schuhputzer, Zigaretten- und Blumenverkäufer und Bettler jeder Art, vom Einbeinigen bis hin zur Mutter mit Kind. Schwer ist es zu unterscheiden, wer wirklich bedürftig ist und wer nicht und das kann einem doch die gute Laune beim Essen verderben. Tröstlich aber ist, dass nicht nur wir Langnasen die Opfer der Händler sind, sondern diese sich mit gleicher Penetranz auch auf die Chinesen werfen.

31. Tag: 26. April 2009 „Ruhetag in Chongqing“

Dienstag, den 28. April 2009

Keine Kilometer und keine Höhenmeter in der Großstadt Chongqing

Zu einem Ruhetag gehört ein spätes Frühstück im Hotel und gegen 10 Uhr spazieren wir los, durch die Straßenschluchten der Stadt. Unser erstes Ziel ist ein kleiner Tempel, der Tempel der 12 Heiligen der uns aber nur wenig begeistert, zumal wieder einmal alles eingerüstet ist. Das ist wohl das Schicksal dieser Tour, dass wir nur eingerüstete Tempel zu sehen bekommen. Im Tempel geht es ziemlich kommerziell zu, es gibt zahlreiche Strände, die Räucherstäbchen verkaufen und buddhistischen Krimskrams. Die handvoll Mönche im Tempel sind hauptsächlich damit beschäftigt, einigen zahlenden Besuchern die Zukunft zu orakeln, oder nachdrücklich und willkürlich ein Fotoverbot über die letzten nicht eingerüsteten Stellen durchzusetzen, anstatt sich um ihr Seelenheil und den Weg ins Nirwana zu kümmern.

Dann schlendern wir der Nase nach durch das belebte Zentrum, es gibt eine belebte Einkaufstraße, neu gestaltete Fußgängerzone, mit Markenläden, Kaufhäusern und Mc Donalds, Kentucky & Co. Wenn nicht die vielen Chinesen auf der Straße wären, könnte man die Einkaufsmeile fast kaum von denen anderen Metropolen dieses Planeten unterscheiden.

Irgendwann erreichen wir das Yangtze-Ufer und schlendern ein wenig an den Docks entlang, wo neben kleinen und mittleren Kreuzfahrtschiffen auch schwere Lastkähne vor Anker gehen.

In zwei Tage werden wir dann auch hier an Bord gehen und durch die Drei Schluchten flussabwärts schippern.

Auf der anderen Seite gibt es wieder eine große Einkaufsmeile. Diese allerdings ist in altem chinesischem Stil gestaltet und hier gibt es auch nur chinesische Produkte wie Tees, Süßigkeiten und Kitsch, sowie eine lange Fressmeile und diverse Restaurants. Verlockend scheint der Entenladen zu sein und die Gerichte, fast alle mit Entenfleisch oder Geflügel sind super lecker.

Nach dem Essen werden wir recht müde und schlendern gemütlich zum Hotel zurück, schließlich gilt es noch einen späten Mittagsschlaf zu halten, bevor wir wieder zum Abendessen aufbrechen. Danach gibt es wieder einen leckeren Espresso und einem anderen Lokal und so enden dann solche Tage, die sich nicht nur Ruhetage nennen, sondern auch welche sind.

30. Tag: 25. April 2009 „Ritt in den Großstadt-Moloch“

Dienstag, den 28. April 2009

126 sehr hügelige Kilometer von Nanchuan nach Chongqing, dabei knappe 20 km auf perverser Rüttelpiste und Anstiegen in Höhe von 1548 Metern

Eigentlich wollten wir noch zeitiger los, aber im Hotel gibt es erst ab halb Acht Frühstück und dann haben wir den ersten Plattfuß auf der Tour. Huberts Hinterrad ist platt und die Ursache nicht zu finden.

Das Wetter ist wie fast immer leicht trüb und es ist angenehm frisch, also gute Vorraussetzungen für einen langen Tag, gestern Abend haben wir noch über Google Earth probiert herauszufinden, wie viele Berge und heute erwarten, es sah auf den Satellitenfotos gar nicht so wild aus, nur zwei oder drei Hügelketten versperren den Weg nach Chonqing.

Auf guter Piste fliegen wir dann aus Nanchuan und biegen in der nächsten Stadt rechts ab, doch die Astraße ist mehr als katastrophal. Wohl vor einigen Jahren noch ein super Betonpiste, hat sich diese komplett aufgelöst und ist in Abermillionen kleiner Stücke zerbröselt, es gibt nicht einmal irgendwo mehr 10 glatte Meter am Stück, nur Betonstücke von zwei Meter Größe bis zu faustgroßen Stücken und schöne große, kleine und mittelgroße Löcher und viele Stufen, Kanten, Spalten und Absätze und es nicht daran zu denken schneller als mit 10 km/h vorwärts zu kommen. Knappe 2 Stunden wurschteln wir auf dieser Dreckspiste vor uns hin und auch die erste Hügelkette bringt uns mehrfach wieder hoch und runter.

Dann im nächsten Städtchen sind wir wieder auf guter Straße und kommen wieder gut voran. Die Hügelketten auf den Satellitenfotos haben wir etwas unterschätzt, es geht eigentlich hur hoch und runter, Hügel aller Kategorien und auf dem Weg in Richtung Großstadt wird es immer „welliger“

Trotz der langen schlechten Piste, war die Route gut gewählt, denn bis fast 20 Kilometer vor der Stadt gibt es nur wenig Verkehr. Mit 33 Millionen Einwohnern soll Chongqing die größte Stadt der Welt sein, allerdings sind hier die umliegenden Großstädte am Yangtze Fluss mit eingerechnet. Geschätzt leben wohl „nur“ 8 Millionen Menschen in der Metropole.

Anfangs geht es noch recht dörflich zu, aber schon bald tauchen die ersten Satellitenviertel auf und eben ging die Straße noch in einem bewaldeten Tal an einem Fluss mit rauschenden Wasserfällen entlang, dann wird es plötzlich vier und sechsspurig.

Der Verkehr ist straff, aber erstaunlich stressfrei lässt es sich fahren, wenn man von den mehr oder weniger steilen Hügeln absieht, die es immer noch ständig hoch und runter geht. Eine Erklärung für den relaxten Verkehr ist das vor fünf Jahren erlassene Hupverbot, es bleibt den Fahrern nicht viel anderes übrig, als Rücksicht zu nehmen.

Über zahlreiche Hochstraßen erreichen wir dann eine der vielen Brücken über den Yangtze, in Kreiseln windet sich der Verkehr nach oben und dann über den Fluss und dann erreichen wir endlich den eigentlichen Stadtkern. Auch der ist auf einen Berg gebaut und die Straße führt an dem eng bebauten Hang steil nach oben. An den steilsten Hängen kleben kleinere Villen und sobald man etwas mehr Platz hat, geht es viel Stockwerke nach oben in luftige Höhe. Inzwischen gibt man sich Mühe und die Bauten bekommen ab und zu ein traditionelles chinesisches Äußeres, wir fahren an einem hübschen Teehaus vorbei und denken, dass wir diesem in den nächsten Tagen noch einen Besuch abstatten werden.

Ein Hotel ist im Zentrum schnell gefunden und im 17. Stockwerk hat man eine großartige Sicht auf die Stadt mit der Kombination aus alten Häusern, Baustellen und Wolkenkratzern.

Fast sieben Uhr ist es nach der heutigen langen Etappe geworden und es war mit den vielen elendigen Bergen doch anstrengender als gedacht, doch wir wollen uns das typischste Essen hier in Chongqing nicht entgehen lassen und ziehen noch in ein Feuertopf Restaurant ein. Hier in dieser Region wird am schärfsten gegessen, wohl vielleicht auch am schärfsten in der Welt. Gewürzt wird einmal mit super scharfem Chili und mit Sichuan Pfeffer, einem Gewürz, das mit der Pfefferpflanze botanisch nix zu tun hat, aber einen betäubenden Schmerz auf der Zunge hinterlässt (geil!). In den siedenden Aufguss der beiden Gewürze werden dann nach Belieben Fleisch, Gemüse, Fisch, Pilze, Tofu, Wachteleier, Innereien und alles was in China als essbar gilt, getaucht und nach einer kurzen Garzeit wieder heraus gefischt und gegessen.

Wir bestellen uns einen gemischten Feuertopf, was heißt, dass es zu dem megascharfen Topf noch eine milde Brühe gibt, so dass man scharf Gewürztes und Mildes abwechseln kann. Dazu braucht man dann Unmengen von Bier, um den Schweißausbrüchen beim Essen begegnen zu können, trotzdem oder gerade deswegen ist der Feuertopf eines meiner Lieblingsevents, die ich in China zelebriere.

Erschöpft vom Tage und gut aufgeheizt vom Essen geht es dann wieder zurück ins Bett im 17. Stock über der Stadt, auch jetzt nachts muss man die Fenster schließen, denn der Lärmpegel von Autos, Karaoke- Musik, Bohrhämmern von den Baustellen hört nie auf.