Archiv: 2011 Transeurasien

117. Tag: Mittwoch, der 10. August 2011

Mittwoch, den 10. August 2011

Unter den Hufen Tschingis Khans eisernen Pferdes (Fauler Tag I)

Mit dem Bus in den Tenrelji- Nationalpark, unterwegs Besichtigung des Dschingiskhan Monuments östlich von Ulaanbaatar

Ausschlafen und lange Frühstücken, das ist das erste Motto des Tages. Unglaublich, wir brauchen jetzt geschlagene 6 Tage nicht auf die Räder und werden dafür aber ein bisschen Wandern oder Reiten.

Gegen 10 Uhr steigen wir in den Bus und besorgen noch Postkarten und Briefmarken, sowie etwas Proviant für die Busfahrt, die heute vor uns liegt. Von der mongolischen Hauptstadt bekommen wir heute also auch noch nicht viel mit, die muss noch ein paar Tage warten.

Auch bei der Ausfahrt aus der Stadt ist alles wieder staubig und die Piste löchrig, lediglich im Zentrum scheint es etwas besser auszusehen, aber bis wir dort spazieren können, dauert es noch drei Tag. Die Fahrt im Bus ist eine elendige Rüttelei und ich wünsche mir schon nach einer Stunde mein Fahrrad zurück. man kann nichts weiter machen als zuzusehen, wie der Busfahrer um die großen Löcher auf der Straße herumlaviert und draußen zieht die steppe vorbei.

Vor der Stadt liegen die Viertel, in denen die Leute teils in Häusern und teilweise in Jurten leben. Hier gibt es zwar Anschluss an das Stromnetz, aber das Wasser müssen die Leute mit dem Kanister irgendwo herholen. Es sind keine Elendsviertel, aber durch den Staub und das fehlende Grün sieht alles sehr öde und depressiv aus.

Erst in der Steppe wird es wieder interessanter, wenn die großen Herden vorüberziehen, aber im Bus macht es trotzdem kein Spaß, da man nicht Anhalten und Zusehen kann oder gar Fotografieren.

Nach zwei Stunden der Ruckelei erreichen wir dann das große Tschingiskhan Denkmal. Eine 40 Meter hohe Reiterfigur steht hier in der Steppe. Fertiggestellt wurde das Denkmal 2006 zum 800. Jahrestag der Machtergreifung Dschingis Khans und natürlich wollte man etwas Besonderes schaffen: die größte Reiterstatue der Welt. Eigentlich sollten die Bauarbeiten inclusive des Landschaftsparkes 2010 beendet sein, aber die Steppe rund um das Monument ist grau und die Treppenstufen fangen schon wieder an zu verfallen. Der gigantische Besucherstrom ist ausgefallen, wohl wegen der bescheidenen Logistik, obgleich eigentlich jeder ausländische Tourist hierhergekarrt wird.


Wir sehen im Inneren des Kolosses einen Film über den Bau und es gibt eine Ausstellung über die Hunnen, die ein erstes Reiterreich hier im Großraum schon vor 2200 Jahren etabliert hatten, als wir in Europa noch Bären mit der Holzkeule gejagt und das Fleisch roh gegessen haben. In dieser Zeit gab es hier schon eine hochentwickelte Bronzekultur. Die Relikte dieser Zeit: Messer, Pfeilspitzen und kleine Kunsgegenstände sind durchaus sehenswert.

Danach klettern wir durch den stählernen Rumpf des Denkmals und haben eine Rundsicht über die Steppe rundherum. Oben entspinnt sich eine angeregte Diskussion darüber, ob man einem der grausamsten Herrscher der Weltgeschichte ein solches Denkmal setzten sollte und ob in Deutschland in 500 Jahren, wenn alle Opferverbände der Vergangenheit angehören, nicht auch Denkmal von einem kleinen Mann mit schwarzem Oberlippenbart stehen wird, der den Deutschen kurzfristig ein Weltreich geschaffen und die Nationen rundherum ins Unglück gestürzt hat.

Nach einem kleinen Picknick unter der Statue setzen wir dann unseren Weg in den Terrelji- Nationalpark fort. Wir biegen von der Hauptstraße in ein sehenswertes Gelände ab. Links und rechts des weiten Tales erheben sich bizarr geformte Granitformationen. Man kann seine Phantasie spielen lassen und Figuren, Symbole und Tiere erkennen und den Felsen Namen geben. Die Region unweit der Hauptstadt zieht natürlich im Sommer viele Touristen an und so gibt es zahlreiche Jurtencamps. Wir biegen in ein weiteres kleines Seitental und erreichen unser Camp unterhalb einer zackigen Granitformation.

Diesmal sind es richtige Jurten, die auch traditionell eingerichtet sind. Für den Touristenkomfort gibt es natürlich einen Trakt mit restaurant, Duschen und Toiletten.

Das Gescheppere im Bus hat müde gemacht und so dösen wir den Rest des Nachmittages vor uns hin. Ein Gewitterguss bringt einen schönen Regenbogen und dannziehen wieder abwechselnd wilde Wolken und Sonnenflecken übers Tal.

Das Abendessen hier in der „Wildnis“ ist wieder überrschend gut, die Mongolen sind erfahren im Umgang mit Touristen und die Camps sind auf Europäer, Koreaner und Japaner, sowie Hauptstädter aus Ulaanbaatar gleichermaßen gut vorbereitet.

116. Tag: Dienstag, der 9. August 2011

Dienstag, den 9. August 2011

Mit Airagantrieb in die mongolische Hauptstadt

119 Kilometer vom Jurtencamp nach Ulaanbaatar, bergige 844 hm auf recht belebter Straße, staubige Einfahrt in die Großstadt bei Sonne und ein paar Wolken bis 27 Grad

Wie üblich starten wir gegen halb neun und rollen zurück zur Hauptstraße, dann biegen wir nach Süden ab und uns bläst ein kräftiger Wind ins Gesicht. Das kann richtig anstrengend werden, knappe 120 km bei Gegenwind und bergiger Strecke. Es formieren sich sogleich einige Gruppen zum energiesparenden Windschattenfahren, aber die Landschaft ist einfach zu grandios, als dass die Formationen lange halten. Überall gibt es zu viel zu sehen und jede menge Fotostopps sind zu machen.

Überall in den grünen Tälern zwischen den Bergen gibt es einzelne Jurten und je näher wir kommen, umso touristischer wird es. An einigen Stellen gibt es ganze Dörfer an touristischen Jurtencamps, in denen die Hauptstädter und ausländische Touristen ihre Ferien verbringen können.

Diese Region, also ca. 100 Kilometer südlich der Hauptstadt lebt hauptsächlich von der Pferdezucht und der Produktion von Airag. Airag ist leicht angegorene Stutenmilch, die in großen Ledersäcken vor den Jurten in die Sonne gehängt wird. Dieses Getränk ist mehr als erfrischend, sättigend und bringt genug Energie für die nächsten Anstiege, allerdings ist es nicht jedermanns Geschmack, recht säuerlich mit einer leichten Note von Pferd. Ich bin es jedoch schon aus Kirgisien gewöhnt und trinke fasst zwei Liter von dem Getränk, danach spürt man den gegenwind kaum noch und es geht mit frischer Energie durch die Landschaft.

Den Airag gibt es hier an fast jeder Jurte zu kaufen, eigentlich zu erkennen, daran, dass ein Pfohlen an der Jurte festgebunden ist, aber oft weist schon ein Schild am Straßenrand drarauf hin. An einer Jurte werden dann auch gerade die Stuten gemolken, keine einfache Prozedur, gerade bei jungen Stuten. Bei denen wird zuerst das Vorderbein angehoben und festgebunden, auf drei Beinen lässt es sich schwerer um sich treten, dann wird das Fohlen kurz angelegt und erst dann greift sich die Hirtin den Melkeimer und greift von hinten durch die Beine um an die kleinen Zitzen zu kommen. maximal 200 ml Milch bekommt man von einem Pferd, dafür wird aber aller zwei Stunden gemolken, das hält den Milchfluss aufrecht. Am Abend und am Morgen bekommt aber dann das Fohlen solange bis es satt ist.

Das raue Klima hinterlässt aber auch Opfer, so zeigen die Geier, die über dem Tal an, dass irgendwo ein Kadaver liegt und tatsächlich schon hundert Meter weiter sehen und riechen wir den toten Körper eines Pferdes. Ein Hund, der gerade noch ein paar Fetzen Fleisch herausgerissen hat verkrümelt sich, noch bevor ich die Kamera ausgepackt habe.

Auch ein Yakherde ist von weitem zu sehen, die zotteligen Tiere unterscheiden sich deutlich von den Kühen, leider kreuzen sie nicht unseren Weg, aber wir sind ja noch ein paar tage im Land und spätestens auf der anschleißenden Tibettour werde ich den Tieren näher kommen.

Heute treffen wir wieder einmal auf Radfahrer, Tom und Emily aus England, allerdings sind sie erst seit gestern unterwegs, wollen einmal durch die Mongolei und dann weiter nach China und Laos…..

Der Verkehr wird immer stressiger, je näher wir der Stadt kommen und dann ist es wie vor einer russischen Stadt, die Straßen werden schlecht und lösen sich auf. Wir radeln dann sicherheitshalber in fester Formation und fressen ordentlich Staub und Dreck. Vor der Stadt gibt es eigentlich nur Dreck und Industrie, so ist unser erster Eindruck. Und der der ändert sich auch nicht, fast bis ins Zentrum. Wir haben noch ein wenig Glück, denn wegen einer Totalbaustelle ist die Straße gesperrt und der Verkehr wird irgendwo umgeleitet, aber wir kommen mit den Rädern durch die Baustelle recht gut durch. Verkehr gibt es in der Stadt eben wie in einer richtigen Millionenstadt, ich war von einigen Seiten vorgewarnt, dass die Ulaabaatarer wie die Henker fahren würden, aber es ist ach nicht schlimmer als in anderen Städten und zum größten Teil kommt man eh nur im Schritttempo vorwärts.

Unser Hotel hat den Namen „Edelweiß“ und liegt in einer Seitenstraße, in der es recht ruhig zugeht, das gibt Hoffnung auf eine ruhige Nacht. Die Zimmer haben ordentlichen Standard und schon wenig später fließt das heiße Wasser im warmen, dicken Strahl und spült den Schweiß des Tages schnell wieder herunter. Danach stürzen wir gleich wieder los, es ist schon 20 Uhr, um zu Abend zu essen. In dem traditionellen Lokal kommen wir etwas zu spät und erleben nur noch den Teil der Vorführung des kleinen Konzertes mit Obertongesang, Kehlkopfgesang, Pferdkopfgeige und Wölbbrettzither. Die Musik ist fremd und faszinierend und beeindruckend, vor allem der Kehlkopfgesang ist eine Gesangstechnik, die wohl nur in der Mongolei gepflegt wird.

Die halbe Nacht genieße ich dann die Errungenschaften der Zivilisation und kann endlich, endlich mein Blog auffüllen und meiner Freundin zu Hause zum Geburtstag gratulieren.

115. Tag: Montag, der 8. August 2011

Montag, den 8. August 2011

Zu Gast in der Jurte

Ruhetag im Jurtencamp mit Ausschlafen, Spaziergang und Besuch einer Nomadenfamilie, Sauna und Massage

Es macht wesentlich mehr Spaß zeitig Aufzustehen, wenn der Wecker nicht klingelt. Ich mache mir einen schönen Kaffee und setze mich an den Computer und bearbeite Bilder, während die ersten Sonnenstrahlen mich an der Nase kitzeln. Vor der Jurte ein Traum von einer Sommerwiese, Blumen über Blumen und die Grillen zirpen und surren.

Nach dem späten Frühstück macht ein Teil der Gruppe einen Spaziergang durch den Wald auf die Hügel hinter dem Camp, einmal etwas anderes als zu radeln. Einige dösen in der Sonne und lesen oder Schreiben, so wie ich und machen noch ein Schläfchen.

Das Mittag war zwar dann nicht sehr mongolisch, Hühnchen oder Fisch mit nudeln, aber trotzdem sehr lecker. Danach ziehen wir los, um eine Nomadenfamilie in der Umgebung zu besuchen. Wir tingeln etwas müde durch die stechende Nachmittagssonne und suchen aus pragmatischen Gründen eine Jurte, die nicht zu weit entfernt ist. Wir lernen eine nette Familie kennen, der es besser geht, als derjenigen, die wir vor zwei tagen besucht haben. Vor der Jurte steht ein Traktor, den sich ein paar Nomadenfamilien teilen, um damit ein gemeinsames Feld zu bearbeiten, auf dem hauptsächlich Kartoffeln angebaut werden. In der Jurte, wieder eine spartanisch eingerichtete Sommerjurte, lebt das Ehepaar mit den vier Kindern, drei Jungen und ein Mädchen im Alter zwischen 3 und 12 Jahren. Die Großmutter lebt im Winter in einer Jurte in der Hauptstadt, dort wohnen dann auch die Kinder, wenn sie die Schule besuchen müssen. Die Familie besitzt ein Kamel, 30 Pferde, mehr als 70 Schafe und 20 Kühe. Als wir auftauchen sind die Kids gerade damit beschäftigt mit einer an einem Stock befestigten Schlinge Schafe einzufangen, die dann von den Eltern mit einer groben Schere geschoren werden. Die Wolle wird dann an einer zentralen Aufkaufstelle in Tugrugs umgesetzt, wovon zusätzliche Lebensmittel gekauft werden können. Die Mongolen haben ein ungezwungenes und pragmatisches Verhältnis zu ihren Tieren. Die Kids haben einen Mordsspaß die Schafe einzufangen, zu Boden zu schubsen und wieder aus der Schlinge zu lassen, um sie gleich wieder einzufangen. Die Tiere haben keinen allzu großen Spaß dabei. Auch bei der Schur werden den Tieren die Beine zusammen gebunden und dann „beschnitten“, wobei sie blöken, als erwarteten sie, heute noch im Suppentopf zu landen. Auch hier hätten deutsche Tierschützer wohl mächtig zu klagen begonnen.

Besonders süß ist der jüngste Sohn der Familie, wegen der langen Haare hatten wir de Kleinen erst für ein Mädchen gehalten, aber es ist eine alte Tradition, den Kindern erst mit vier Jahren das erste Mal die Haare zu schneiden.

Wir haben viele Fragen zum Leben hier, das für uns unvorstellbar scheint und ernten auf viele ein breites Lächeln. Zahnprobleme gibt es nicht, denn Zucker wird in der täglichen Küche nicht verwendet, den gibt es höchstens einmal zu Feiertagen. Was man sich wünschen würde, wenn man ein paar Wünsch frei hätte, wollen wir wissen. Na, eben Gesundheit für die gesamte Familie. Und natürlich möchte man auch nicht mit uns tauschen, bewundert aber die Leistung vier Monat mit dem Fahrrad unterwegs gewesen zu sein. So etwas würden sie nie machen wollen, dabei ist das tägliche Leben hier wohl etwas anspruchsvoller als unsere „Luxustour“.

Wir bekommen alle eine Schale mit frischem Joghurt, so lecker, wie ihn kein Bioproduzuent woanders in der Welt produzieren kann mit einem Klacks dicken Sauerrahms dazu. Im Gegenzug dazu verteilen wir kleine, mitgebrachte Geschenke.

Später, während des Abendessens, bei der Diskussion über Müll und Müllbneseitigung realisieren wir, dass die nomadischen Mongolen faktisch keinen Müll produzieren und eshalb auch keine Müllabfuhr brauchen, mal abgesehen von den in Plastik verpackten Kleinigkeiten, die wir heute dort gelassen haben, ein Aspekt, den wir bei der Auswahl der Geschenke in Zukunft auch berücksichtigen sollten.

Der Abend vergeht noch einmal mit Sauna oder Massage oder einem „mörderischen“ Gesellschaftsspiel in der Corleischen Jurte mit dem Namen „Werwölfe“ während die richtigen Wölfe draußen in allernächster Nähe hungrig auf ihre Opfer warten. Hoffen wir, dass alle gesund und munter in ihre eigene Jurte zurückkehren konnten.

114. Tag: Sonntag, der 7. August 2011

Sonntag, den 7. August 2011

Durch die Grassteppe

119 km von Darcham ins Jurtencamp, 1106 hm bis auf 1200 Meter Höhe, angenehme Temperaturen bis 24 grad, abends kühl und kurzes Gewitter, recht stressiger Sonntagsverkehr

Bevor wir uns wieder in die Steppe stürzen fahren wir noch einmal zwei Kilometer zurück, dort thront auf einem Hügel eine Buddhafigur umgeben von 8 Stupa. Gestern bei der Ankunft waren die ersten Radler daran vorbeigeschossen und die anderen mussten alle hinterher. Wenn das Pferd den nahen Stall riecht, dann gibt es kein halten mehr Buddhagarten. Die Anlage mit einem Buddha im Zentrum ist nichts besonderes, aber Ansatzpunkt zu vielen Fragen zur Religion und Geschichte der Mongolei und so vergeht fast eine ganze Stunde, ehe wir dann endgültig die Stadt verlassen.

Vor uns liegt in schönstem Sonnenschein die Grassteppe, die hier recht bergig ist. Die einzelnen Wolken bilden ein wunderschönes Spiel von Licht und Schatten und es ist nachzuvollziehen, warum die Mongolen alle ihre Heimat lieben. Heute kommen wir an relativ vielen Feldern vorbei, auf denen Getreide angebaut wird und an den Füßen der Hügel wird Raps angebaut, der in der Sonne leuchtet.

Leider nimmt der Verkehr ab Mittag rapide zu, die Wocheendheimkehrer sind auf dem Weg zurück in die Hauptstadt Ulaanbaatar, die noch 160 Kilometer entfernt liegt. Die Hauptstädter in ihren dicken Jeeps rasen gnadenlos und sind bei der Landbevölkerung nicht sehr beliebt. War Umweltschutz schon zu Dschingis Khan Zeiten fest gesetzlich verankert und es zum Beispiel bei Todesstrafe verboten in den Flüssen zu waschen oder sich in einer Quelle die Hände zu waschen, werden heute die Jeeps am Flussufer gewaschen und der Müllsack wird auch ganz gerne einmal an der Straße deponiert.

Die Autos fahren ziemlich dicht und schnell an uns vorbei, dass es nicht unfallfrei zugeht zeigt ein „Denkmal“ mit einem zerbeulten Wagen.

Die Anstiege sind heute lang und beachtlich und wir gewinnen mächtig an Höhe. Zum Schluss landen wir auf knapp 1200 Metern Höhe. Davor lagen noch einmal zwei mächtig lange Anstiege und nach dem Abzweig zum Jurtencamp neigte sich der Berg auf den letzten 100 Metern um 13 oder 14%.

Natürlich haben unsere Touristenjurten nicht sehr viel mit den Nomandenjurten zu tun, es gibt schöne Betten, Holzfußboden, eine Sitzgruppe und elektrischen Strom, lediglich die Form der Behausung stellt noch die Jurte dar, aber es ist trotzdem schön hier.

Abends zieht noch einmal eine Gewitterfront durch und dann wird es sternenklar. Die Milchstraße ist klar zu erkennen und ein paar Sternschnuppen ziehen ihre Bahnen. Die Grillen und Grashüpfer sind still geworden und Ruhe liegt über dem Tal, nur die Mäuse versuchen an die Kekse der Touristen zu kommen.

113. Tag: Samstag, der 6. August 2011

Samstag, den 6. August 2011

Dicke Regenwolken über der Sommerjurte

103 km von Suchbaatar nach Darcham, 661 hm durch die Wald- und Grassteppe, angenehm gute Straße mit wenig Verkehr, bis Mittag Regen bei 18 Grad, dann trocken und ein bisschen wärmer

Der Morgen beginnt, wie der Abend aufgehört hat, es regnet und regnet und will nicht wieder aufhören. Auf den Straßen gibt es riesige Pfützen durch die wir tauchen müssen, erst ab dem Ortsausgang wird es besser. Es ist eine verzauberte Landschaft, durch die wir fahren. Dichter Dunst hängt über den Weiden. Die Weite der Landschaft entschwindet im Grau, aus dem sich ab und zu ein berg oder Hügel abzeichnet. Auf den weiden neben der Straße sehen wir dann auch die ersten Jurten und aus der grauen Ferne hört man ab und zu ein „Määäh“ der Schafe. Bis zum Mittag sind wir alle klitschnass und die kleine Raststätte erscheint uns als rettende Idylle. Leicht gesalzener Milchtee wärmt durch und die Nudeln geben Kraft für den Nachmittag und es tröpfelt auch nur noch ein bisschen, als wir weiter fahren.

Endlich hört der regen dann ganz auf und wir können auch etwas von der weiten Landschaft sehen. Weiße Tüpfelchen gibt es überall am Flusslauf entlang, die Jurtensiedlungen der nomadischen Mongolen. Wir biegen einmal links ab und werfen einen Blick in das Zuhause einer Familie. Drei Generationen leben in dem runden Zelt, die Männer sind mit den Tieren unterwegs, die Kinder spielen und die Frauen waren gerade beim Mittagsschlaf. Mehr als zwei Betten und einen kleinen Tisch mit Fotos und einem Buddha gibt es nicht im Zelt. Ein kleiner Fernseher und eine Glühbirne klemmen an einer Autobatterie, die durch ein Solarpanel gespeist wird. In der Sommerjurte gibt es keinen Ofen, gekocht wird in einer kleinen Bude nebenan, wo wir von dem sauren Trockenkäse probieren dürfen. Die Kids freuen sich riesig über die bunten Luftballons, die wir dalassen. Die Familie hier zählt zu den ärmeren Familien mit nur wenigen Tieren, sie haben eine Hand voll Kühe und an die dreißig Schafe. Mehr Geld kann man mit den Kashmirziegen verdienen, die aber die Pflanzen aus dem Boden reißen und das Weideland nach und nach unbrauchbar machen.

Bis zum Abend bekommen wir noch die gesamte Tierwelt der Nomaden zu sehen, eine Kamelherde wird durch die Ebene getrieben, langhaarige Ziegen und Schafe weiden auf den Hügeln. Eine Hirtin umkreißt, die Peitsche schwingend eine große Pferdeherde. Auf eine Siedlung mit festen Gebäuden treffen wir erst am Abend, Darcham ist die viertgrößte Stadt der Mongolei mit 40.000 Einwohnern. Es gibt Altdarcham und Neudarcham, wobei beide Städte mit nur einem Jahr Zeitunterschied in den 60er Jahren gegründet wurden.

Etwas Industrie gab es früher hier, nach der Einführung der Marktwirtschaft und mit dem Ende des mongolischen Sozialismus brachen auch hier viele Betriebe zusammen, aber die Wirtschaft beginnt wieder sich zu beleben. Der langsame Aufschwung ist im Gegensatz zu Russland auch spürbar. Am Stadtrand wird gebaut und in den Grundstücken stehen neben den Fundamenten für die Holz- oder Steinhäuser die Jurten im Garten. Auch in Darcham sind die Plattenbauten des Sozialismus recht ordentlich saniert und machen nicht den Eindruck der verödeten Triestesse, wie wir sie noch vor ein paar tagen im „Mutterland des Kommunismus“ gesehen haben. Leider bleiben wir weiterhin ohne Internet im Hotel und da ich mit einem leichten Infekt kämpfe, habe ich auch keine Lust, mir ein Internetcafe zu suchen.

Das Restaurant ist mit unserer großen Gruppe wieder gnadenlos überlastet, von der Bestellung bis zum letzten servierten Essen dauert es drei Stunden. das Essen ist recht gut und abwechslungsreich, die Salate sind erfrischend leicht, was ich in der Mongolei nicht erwartet hatte, gibt es doch hier nur sehr begrenzte Möglichkeiten für Ackerbau. Außerdem ziehen die Mongolen traditionell eine sehr fleischreiche Kost vor und so lassen sich soziale Unterschiede sehr leicht am Körperumfang fest machen. Wer nicht mehr den ganzen Tag zu Fuß oder zu Pferde mit den Tieren unterwegs ist, sondern es sich leisten kann auf einen japanischen Jeep umzusteigen, der legt recht schnell um die Hüfte zu.