Archiv: 2009 Ganz China!

4. Tag: 30.März 2009 „Auf nach Kanton“

Freitag, den 3. April 2009

Von Hongkong nach Guangzhou, Fähre und 70 km ohne Berge

Endlich wieder in China, dabei waren wir alle gar nicht so lange weg, Hubert und Heino war im letzten Jahr mit mir bei Athen-Beijing dabei und ich war in diesem Jahr schon zwei Mal in Yunnan und das ist gerade einmal einen Monat her. Aber das Land, seine Größe, seine Landschaften, seine Menschen und seine Mythen ziehen mich immer wieder von neuem an wie ein Magnet.

Der Tag beginnt nicht ganz glücklich für Hubert, denn der Geldautomat saugt seine Karte ohne Warnung ein und niemand hat einen Schlüssel. Wir haben auch keine Zeit für lange Diskussionen, denn wir müssen um 9 Uhr auf unserer Fähre sein. Formalitäten gibt es praktisch keine und pünktlich legt das Schnellboot ab. Die Räder stehen im Gang und es gab nicht einmal den Anflug eines Problems damit. 90 Minuten wühlt sich das Boot durch wabbeligen Nebel und legt dann in Nansha an, einem modernen Terminal, mitten in der flachen Landschaft. Auch bei der Einreise nach China gibt es keinerlei Probleme, innerhalb von 5 Minuten haben wir den Stempel im Pass und volkschinesisches Territorium unter den Füßen.

Unsere Räderwarten schon sehnsüchtig auf die ersten Kilometer und so schwingen wir uns in den Sattel und reiten Richtung Guangzhou. Neue Straßen, dreispurig und fast ohne Verkehr begleiten uns die ersten 20 Kilometer. Ab und zu streifen wir eine kleine Stadt, in der Karte als Dörfer markiert und hin und wieder treffen wir auf eine Autobahn, die die Millionenstädte hier im Perlflussdelta verbindet.

Mittels GPS und fragen kommen wir ganz gut voran, die Karte, obgleich erst ein Jahr alt, sagt nicht viel, denn die Infrastruktur hier ist am Explodieren, überall wird gebaut. Nach 30 Kilometern frischer Fahrt, es rollt sich einfach wunderbar auf den guten Straßen, machen wir eine Rast und essen, natürlich beim „Chinesen“, dann geht es weiter.

Die Temperaturen an unserem ersten Radeltag sind Ideal, etwas über 20 Grad und bewölkt, aber kein Regen. Einmal kommt für 5 Minuten sogar die Sonne heraus.

Langsam wird der Verkehr dichter und wir durchfahren eine Stadt nach der anderen, es ist schon gar nicht mehr zu erkennen, wo der eine Ort aufhört und der nächste anfängt. Vor den Brücken über die Arme des Perlflusses staut sich der Verkehr. Eigentlich sind auf den Brücken keine Fahrräder zugelassen, aber niemand kann uns sagen, wie man sonst über den Fluss kommt. Also reihen wir uns in den dichten Verkehr ein und wühlen uns Kanton entgegen. Nach der zweiten großen Brücke stehen wir wieder vor einer Wand aus Hochhäusern, am Rande vielleicht 30 Stockwerke hoch die Wohnsilos und dann die gläserne Fassade der Bürotürme. Auch Kanton oder Guangzhou will wohl mitspielen bei dem Wettbewerb um die höchsten Gebäude der Welt, jedenfalls ragt ein Turm, wie ein schlanke Blumenvase in die Höhe und über alles andere hinaus. Ein Ende ist nicht abzusehen, denn oben wird noch weiter gebaut. Ich werde wohl mal im Internet danach suchen, was man hier geplant hat, denn das Gebäude fasziniert durch seine Bauweise, es sieht aus, als sei es aus einem flexiblem Geflecht gewoben.

Der Verkehr lässt kaum Zeit für weitere Betrachtungen, denn es wird immer dichter und chaotischer, wir stecken mitten in der Rushhour und so komfortable Radwege wie in Beijing gibt es leider nicht, der Kleinstverkehr wird hier gnadenlos an den rechten Rand gequetscht.

Irgendwann biegen wir nach links ab, weg von der Hauptstraße und dann wird es angenehmer. Während einer Kaffeepause studiere ich noch einmal die Karte und wir brauchen nicht mehr weit zu fahren, bis wir im Herzen der Stadt sind. Hier wechseln sich koloniale Gebäude, vergammelte früh und spätsozialistische Gebäude und die Postmoderne ab. Ein kleines Hotel nach unserem Geschmack ist schnell gefunden, relativ ruhige Lage, zentral, saubere kleine Zimmer und Dusche, das ganze für 120 Yuan, also 13 Euro.

Am Abend wandeln wir noch ein wenig die Straße entlang, ein kleiner Laden reiht sich an den anderen, Lebensmittel, Obst, ein winziger Fahrradladen, Süßwaren, Handys, kleine Restaurants. Wir bleiben in einem Laden mit leckeren Teigtaschen, Wonton, mit Suppe und ohne, gefüllt mit Muscheln, Krabbenfleisch oder Shrimps, superlecker und superfrisch, dazu ein kühles Bier, was will man mehr nach dem ersten Tag auf dem Rad.

3. Tag: 29. März, 2009 „Ein Tag in der Kronkolonie“

Freitag, den 3. April 2009

Das letzte Überbleibsel aus hundert Jahren britischer Herrschaft in Hongkong ist, das links gefahren wird. Auch kommt man mit Englisch recht gut aus. Mit Chinesisch auch, selbst wenn die Leute eher Kantonesisch sprechen. Oft bekommt man dann auf eine Chinesische gestellte Frage eine englische Antwort.

Das Frühstück in einem Kaffee ist lausig, ich habe keine Lust auf Spiegelei mit Labbertoast und esse etwas später eine Suppe.

Zuerst suchen wir den Fährhafen, laufen zwei Mal dran vorbei, denn das Reminal liegt in einem modernen Kaufhauskomplex. Morgen 9 Uhr geht es los, mit den Rädern sollte es keine Probleme geben.

Am südlichen Ende Kowloons liegt der Star-Boulevard, ähnlich wie in Hollywood sind hier die Größen des chinesischen Films verewigt, wir kennen nur wenige der Schauspieler, doch wir finden die Sterne von Chackie Chan und Bruce Lee.

Gegenüber liegt Hongkong Island mit seiner gigantischen Skyline. Gleich mehrere Gebäude erreichen fast die 400 Meter Marke. Auf dem Boulevard herrscht ein angenehmes Gewimmel von Volk aus allerlei Ländern und jeder bringt sich vor den Wolkenkratzern in Position für ein Erinnerungsfoto.

Mit der Fähre geht es dann ans andere Ufer und wir tauchen in den Hochhausschluchten ein. Hunderte Meter steiler Glaswände ragen in allen Richtungen nach oben. Mit einem Doppeldeckerbus fahren wir dann in Richtung Victoria-Peak. Auf engen Straßen wühlt sich der Bus erst durch den Verkehr in den Schluchten, dann geht es in engen Schleifen den Berg hinauf. In alle Richtungen ist jeder Quadratmeter freien Landes bebaut und selbst die Hälfte der steilen Hänge ist von hohen Wohnsilos bebaut, je weiter man jedoch nach oben kommt, um so luxuriöser wird es.

Oben ist die Sicht erst einmal fast Null. Wir stecken in einer Wolke und hoffen, dass sich diese während des Mittagessens verflüchtigt. Hier oben gibt es ein riesiges Einkaufszentrum mit Aussichtsplattform und zahlreichen Restaurants und natürlich hunderten von Touristen. Wir finden ein angenehmes Lokal und schlemmen ordentlich, bis es draußen etwas besser aussieht, wir stecken nicht mehr mitten in der Wolke, aber es ist immer noch sehr diesig und trübe, trotzdem bekommt man einen guten Eindruck vom schier unendlichen Hochhäusermeer.

Nach unten geht es dann mit der Bergbahn, aber hier zahlt man nur für das historische Gefühl, denn eine gute Aussicht hat man nicht.

Auf dem Weg zurück zur Fähre müssen wir vorbei an Hunderten von Frauen, die auf den Gehwegen Zeitungen ausgelegt haben und Schwatzen, Karten spielen und Picknicken. Wir tippen auf eine politische Aktion oder auf einen gigantischen Heiratsmarkt, aber dies sei jeden Sonntag so, versichert uns eine Dame, man treffe sich einfach nur so auf ein geselliges Beieinander.

Wieder in Kowloon zurück, dunkelt es langsam und wir wandeln heute zum zweiten Male auf dem Star-Boulevard, diesmal um die Lichter der Skyline auf der gegenüberliegenden Seite zu beobachten. Alle großen Firmen der Welt scheinen mit ihrer Leuchtreklame auf den Hochhäusern vertreten zu sein.

Auf dem Rückweg kehren wir in einem koreanischen Lokal ein und essen uns durch ein Menü aus Reis, Gemüse, leckerem Kimchi und rohem gehackten Rindfleisch, angerichtet mit etwas Zucker und Birnenstreifen, Ei und Knoblauch- eine überraschende, aber sehr leckere Kombination.

Zurück im Hotel heißt es dann schon wieder packen, wir basteln noch etwas an den Rädern herum, bereiten einen frühen Start vor und verschwinden gegen 22 Uhr schon in den Betten unseres Dreibettzimers.

2. Tag: 28. März 2009 „Ankunft in Hongkong“

Freitag, den 3. April 2009

Die Landung in Hongkong ist weich und sanft, wie der warme Luftzug, 22 Grad, bewölkt, also sehr angenehm. Hubert wartet in der Abfertigungshall schon auf mich, fehlt nur noch Heino zur Vollständigkeit des Trios. Der kommt aber erst ein paar Stunden später und wir vertreiben uns die Zeit bei Pizza, Bier und kostenlosem Internet.

Auch Heino und Rad kommen pünktlich und wenig später sitzen wir etwas beengt im Lasttaxi nach Kowloon und fahren den modernen Highway vorbei an Hochhauswohnsilos, endlose Reihen scheinbar gleicher Häuser.

Im Zentrum wohnen wir sehr zentral an der Nathan Road, der Hauptachse durch diesen Teil Hongkongs. Hochaus an Hochhaus reiht sich hier, Wohnsilos aus den 70er Jahren gleich neben verglasten Türmen, Geschäft an Geschäft reiht sich, Foroläden, Schmuck und Uhren. Indische „Geschäftsleute versuchen und gleich im Dutzend maßgeschneiderte Anzüge und Rolex-Kopien anzudrehen.

Gleich neben der ehemals sehr herunter gekommenen Chunking Mansion liegt die Mirador Mansion. Diese wirkt von außen auch etwas verfallen, aber in den letzten Jahren hat sich einiges getan, von innen sind die Gebäude gut saniert und wir begegnen nicht in allen Ecken Kleinnagern und Insekten, wie ich es vor 15 Jahren erlebt habe.

Im 13. Stock liegt das „U.S.A. Hostel“, toller Name für eine halbe Etage mit Kleinst- und Minizimmern. Unsere Bestellung war umsonst, die Zimmer sind seit 18 Uhr schon wieder vergeben, aber wir bekommen ein Dreibettzimmer im 10. Stock, das im Vergleich zu den Single-Room-Gefängnissen, fensterlose 4,5 Quadratmeter.

Aber für uns reicht es und wir werfen nur das Gepäck ab und gehen noch einmal raus auf die von Reklametafeln lichtüberfluteten Straßen und suchen uns ein nettes Restaurant. Auf der Nathan Road sieht es gar nicht so gut aus, doch in einer Nebenstraße enden wir dann bei einem Inder im Obergeschoss. Schön scharf war es und ein guter Anfang in China.

1. Tag: 27. März 2009 „Auf dem Weg in den Süden“

Samstag, den 28. März 2009

Gut gebräunt war ich vor zwei Wochen aus Myanmar zurückgekommen ins kalte, graue Deutschland. Temperaturen erwarteten mich dann in Berlin, die einfach um 20 Grad zu niederig sind, um sich wohl zu fühlen, trübe Regentage statt Sonne pur und Papierberge auf dem Schreibtisch.

So bleibt wieder einmal viel zu wenig Zeit für die Kinder, als es schon wieder losgeht. Die Wohnung ist wieder untervermietet, alle Rechnungen bezahlt und die wenigsten erfogreich eingetrieben. Die Sachen sind sortiert und die Karten vorbereitet und so ist es dann schon wieder Freitag und ich warte auf mein Taxi zum Flughafen.

Das Taxi kommt pünktlich, aber der Fahrer hat keine Lust mein Rad, das ich sorgfältig im Karton verpackt habe, in sein Auto zu stopfen. Wenigsrtens ruft er mir einen anderen Fahrer. Gleiches Fahrzeug, aber keine Probleme, mit ein bisschen Anstrengung verschwindet das Rad im Heck und auf der umgeklappten Rückbank.

Den nächsten Ärger gibt es in Tegel. Für den Transfer von Berlin nach Frankfurt soll ich noch 70 Euro fürs Rad nachlegen, obwohl ich 30 Kilogramm Freigepäck habe. Diese gelte erst ab Frankfurt, wird mir mitgeteillt.

Gepackt habe ich recht ordentlich, in den beiden Packtaschen befinden sich 16 Kilo Reisegepäck, inklusive des Werkzeuges und des Computers, ich bin gespannt, ob sich unterwegs noch weiter reduzieren lässt.

Langweilig sind die Flüge und die Aufenthalte, die einzige Abwechslung bilden die hübschen China Airlines Stewardessen, der „Mamma Mia!“ Film haut mich nicht sonderlich aus den Socken und schlafen kann ich auch nicht, obwohl neben mir noch zwei Plätze frei sind.

Irgenwo über der Mongolei fallen mir dann doch einmal für eine Stunde die Augen zu und dann gibt es Frühstück und nicht mehr weit bis zum Transit in Beijing.