Vollmond in Yangon

Straßenfest zum Vollmond

Nach den 10 Tagen im Tempel, wo ich jeden Morgen um 4 Uhr aufstehen musste/wollte, hatte ich vor sehr zeitig ins Bett zu gehen. Doch um 18 Uhr war Schluss mit der Ruhe im Zimmer. Die Straße vorm Hotel war gesperrt worden und hatte sich in einen lauten und bunten Nachtmarkt verwandelt. Straßenfestival, sagen die Jungs aus dem Hotel: Heute, morgen, übermorgen und auch noch in drei Tagen. Also nichts wie raus aus dem Hotel. Draußen reihen sich auf einem knappen Kilometer Buden dicht aneinander. Vor allem hunderte von Essständen laden auf kleine Snacks und Gerichte ein. Hier wird gebacken, gebraten, frittiert und gebrutzelt. Pfannkuchen, Omlets, Seegetier, Fische, Zuckerwatte, Süßigkeiten. Alles wird hier verarbeitet und meist in kleinen Plastiktüten verpackt. Gegessen wird dann an den zahlreichen Tee und Kaffeeständen, die aufgebaut wurden. Ein kleiner Ofen sorgt für heißes Wasser für Tee, kalte Getränke gibt es aus Styroporboxen mit Eiswürfeln. Zu jedem Stand gehören 4 oder 5 niedrige Tische und zu jedem Tisch 3 oder 4 noch niedrigere Höckerchen. Hinter den Fressbuden beginnen die Verkaufsstände, Schuhe, Haushaltwaren, Kitsch, T-Shirts, Socken und Unterhosen werden verkauft, dazwischen immer wieder ein Stand mit einfachsten Spielzeugen. Die Kinder freuen sich hier noch über eine großen aufgeblasenen Luftballon oder ein kleines quietschendes Plastikdingsbums. Sein Glück kann man am Lottowagen probieren oder beim Ringe werfen. Zu Gewinnen gibt es Getränke in Dosen, aber nur wenn man mit dem Ring getroffen hat. Hier versuchen sich vor allem die „Babymönche“, also Kids im Alter von 6 bis 10 Jahren, mit kahl geschorenem Kopf in roten Mönchsgewändern. Ein paar Fahrgeschäfte machen guten Umsatz, die Kinder wollen gern aufs Karussell, werden sorgfältig platziert, dann schiebt der Betreiber das Karussell per Hand an, ein paar Runden geht es schnell im Kreis, dann trudelt es noch ein bisschen vor sich hin und die nächsten Kids sind an der Reihe. Großer Andrang herrscht vor der Geisterbahn, in einem Land, in dem man an lokale Götter und Geister glaubt, wahrscheinlich keine schlechte Geschäftsidee. Besonders faszinierend ist das Riesenrad, nicht wirklich riesig, vielleicht 10 oder 12 Meter im Durchmesser und auch dieses ohne Motor. Den Antrieb bewerkstelligen vielleicht 6 oder 8 Jungs im Alter von 14 bis 16 Jahren. Sie klettern im Rad umher und am Anfang dauert es vielleicht 10 Minuten, bis sich das rad einmal gedreht hat und alle Sitze aufgefüllt sind. Eine Fahrt kostet 50 Cent pro Person. Sicherheitsbedenken hat niemand, denn Sicherheit gibt es praktisch nicht. Ich traue mich erst am zweiten tag auf eine Runde in dem quietschenden Stahlungeheuer. Das Ächzen und Quietschen hört man aber Dank der übersteuerten Stereoanlage nicht, aus der unheimlich laute Pomusik sprudelt.

Zurück zum Riesenrad. der älteste von den Boys zieht eine Trillerpfeife. Zwei andere Jungs treiben die Menge drei Schritte zurück (also doch Ansätze von Sicherheitsdenken), dann klettert die Antriebsmannschaft affenartig nach oben. So aus dem Gleichgewicht gebracht nimmt das Rad sehr zügig an Fahrt auf. Auf der Hälfte springen die „Antreiber“ noch einmal an eine Gondel und geben zusätzlichen Schwung. Das reicht dann auch für sieben oder acht Runden, wobei die ersten 4 Runden wirklich rasant sind, die Auslenkung der Gondeln beträgt vielleicht 15 bis 20 Grad und oben erreicht der Mageninhalt die Schwerelosigkeit. Es wird gut geschrieen und gekreischt im Rondell und alle klammern sich ordentlich an die „Reeling“, die Effekte sind bemerkenswerter als in auf den gigantischen Riesenrädern in Berlin auf dem Alexanderplatz zu Weihnachten. Leider lässt sich so ein Ding in Deutschland nicht installieren, die ersten Toten wären die Prüfer vom TÜV mit Herzversagen. Mir hat es gefallen und so gehe ich am nächsten Tag noch einmal. Ich lade noch zwei Kids ein, die gestern schon mir großen Augen und ohne Geld das Rad angestaunt haben und die mich nun 8 Runden lang anstrahlen.

Schwierig wird es, ein Bier zu finden auf dem Straßenfest, alles läuft hier wirklich ohne Alkohol ab, erst am äußersten Ende der Straße gibt es zwei Lokale mit Ausschankgenehmigung und ich gönne mir bei abendlichen annehmen Temperaturen um die 29 Grad ein eiskaltes Myanmar Bier. Zu meinem Nachtschlaf komme ich trotz des Jahrmarktes vor dem Fenster. Um pünktlich 22:30 wird die Musik abgeschaltet und binnen 30 Minuten sind die Stände verschwunden. Ein paar Hunde wühlen sich noch durch die Abfälle auf der Straße, die jetzt ruhig und fast menschenleer ist, nur beleuchtet durch den fast Vollmond. Hinter der Jesusfigur der katholischen Kirche, macht dieser fast einen gespenstischen Eindruck.

Morgen Abend jedoch wird hier wieder der gleiche Trubel herrschen und sich die bunte Masse an fröhlichen Männern, Frauen und Kindern die Straße entlang schieben.

 

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