147. Tag: Freitag, der 9. September 2011

Stark landwirtschaftlich geprägt

96 Kilometer von Hunyuan nach Yuxian, erfrischend kühl bei 15 bis 18 Grad, ein kleiner Pass und 555 hm

„Stark landwirtschaftlich geprägt“ steht heute in unserem Tourenprogramm, eigentlich heißt das: Nix los. Aber es ist das ganze Gegenteil davon, die Dörfer sind recht rustikal und auf Terrassenflächen wächst vor allem Mais. Glücklicherweise sind wir nicht mehr auf der Hauptstraße mit den vielen LKW, sondern teilen die Straße hauptsächlich mit Motorrädern und Eselskarren. Wir erreichen heute auch die Provinzgrenze zur Provinz Hebei, die Beijing umschließt und verlassen das Gebiet von Shanxi. Hier in der Nähe der Hauptstadt können die Bauern gut von Landwirtschaft leben, denn alle Überschüsse gehen zu ordentlichen Preisen ab auf die Märkte der 10 Millionen Hauptstadt Beijing. Kein Quadratzentimeter Land, auf dem nicht irgendetwas angebaut wird. Trotzdem geht das Leben hier nicht hektisch voran, sondern alles geht ganz gemächlich seinen spätsozialistischen Gang.

Wir genießen die Fahrt durch die Herbstfrische, auf der Abfahrt nach unserem kleinen Pass am Morgen ist es recht bissig frisch und wir packen alle die langen Jacken aus, es wird langsam Herbst in Reich der Mitte. Mittag machen wir in einer Nudelstube in einem kleinen Städtchen, hier sind wir wieder einmal die totale Attraktion, man glaubt kaum, dass sich nur 100 Kilometer weiter keiner mehr nach einer Langnase herumdreht, aber die meisten Touristen belassen es bei einem Ausflug zur Großen Mauer.

Dabei ist die gesamte Region um Beijing herum mehr als sehenswert. Einmal aus der Hauptstadt heraus gibt es ruhige Gegenden mit leichtem Mittelgebirge, man findet Wälder und Seen und viele eben „landwirtschaftlich geprägten“ Gebiete. Wären in den Städten nicht die modernen Leuchtreklamen und ab und zu ein dickes Auto auf der Straße, man würde den Genossen Mao Tse Tung noch nicht all zu lange in seiner gläsernen Gruft vermuten.

Unser Zielort ist auch wieder eine Kleinstadt und auch eine recht moderne, viele Wohnblocksiedlungen sind noch im Bau, aber auf den Straßen vor den neuen Geschäften geht es schon recht busy zu. Es ist wieder einmal ein schöner Spaziergang durch alle Sphären des Lebens. Auf der Straße Stehimbisse und auf der anderen Seite Shops mit chinesischen Marken, von Logos wir Calvin Klein oder Lacoste bleibt die Provinz vorerst noch verschont, das liegt noch ein paar Jahre über der Einkommensgrenze der „landwirtschaftlich geprägten“ Gebiete. ASuf dem zentralen Platz wird abends wieder getanzt und gesteppt und alte Männer und Damen lassen ihre Drachen steigen. Dabei legen sie eine erstaunliche Geschicklichkeit zu Tage und ich lerne, dass man einen Drachen lenken kann, auch wenn er nur an einer Schnur nach oben steigt. Mit Hilfe eines großen Laufrades in der Hand kann sehr schnell viel Schnur freigegeben oder angezogen werden, dann nach einem Ruck legt sich der Drachen in eine vorbestimmte Kurve und geht in den Gleitflug über und wird erst kurz über dem Boden wieder abgefangen. Wie langweilig ist dagegen Drachen steigen lassen in Deutschland.

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