94. Tag: Montag, der 18. Juli 2011

Geldrausch

132 km von Sima nach Tscheremchowo, 752 hm in langen gemütlichen Anstiegen und Abfahrten, wolkig, dann etwas sonnig bis 25 Grad

Unser nächstes Etappenziel rückt mir großen Schritten näher, immer niedriger wurden in der letzten Woche die Angaben nach Irkutsk, vor knapp 2 Wochen hatten wir das erste Schild mit noch über 2000 Kilometern, dann haben wir in Krasnojarsk die 1000 Kilometer geknackt und sind gerade einmal noch schlaffe 300 übrig.

Wir verlassen unsere Hotelbaustelle wieder zeitig und radeln aus der kleinen Stadt Sima heraus. Von allen trostlosen Städten sieht diese am trostlosesten aus. Das „Zentrum“ bildeten einige Wohnsilos aus den 70er Jahren und auf der Straße, das heißt in den riesigen Löchern im Asphalt sammelt sich das Wasser des Regens von gestern und der Nacht. Viele der Pfützen haben dann schon das Format eines kleinen Sees. Dazu kommt dann noch dieses verrückte Einbahnstraßensystem, welches nicht zu durchschauen ist. Diesmal brauchen wir nicht über die Fußgängerbrücke, sondern fahren über die große Brücke außerhalb. Die Regenwolken fangen an sich zu verziehen und es sieht nach einem trockenen Tag aus.

Es wird wieder ein sehe sibirischer Tag, die Landschaft ist weit und faszinierend, aber nicht abwechslungsreich. Weite, lange Anstiege und schöne Abfahrten, viel Birke und ein wenig Kiefer, weite Landschaften und an der rechten Seite zieht aller zehn Minuten ein langer Güter- oder Personenzug dahin. Hinten, weit am Horizont ragen die Spitzen von großen Eimerkettenbaggern aus der Landschaft. Dort befinden sich große Kohletagebaue.

Man kann also schön vor sich hindösen beim Radeln, doch plötzlich blinkt es auf dem Asphalt. Oh, ein schönes Rubelchen! Ich halte an stecke das Geldstück ein und es blinkt schon wieder, 50 Kopeken und dann wieder, diesmal ein Zweirubelstück. Ich parke das Fahrrad ein und Mirjam und Barbara stoppen auch. Überall liegt hier Kleingeld verstreut. Also fangen wir an zu sammeln und es lohnt sich, auch wenn es meist nur kleine Münzen sind. Wieso liegt das Geld hier herum, denke ich beim Suchen nach. Vielleicht kam hier ein bankräuber vorbei, wurde von der Polizei verfolgt und durch die Einschusslöcher konnte leider nur das Kleingeld, aber nicht die Scheine herausfallen. Oder liegt hier vielleicht gar keine Steinkohle in der Erde, sondern es werden Rubel abgebaut und wir sind auf einen Rubelflöz gestoßen. Oder hat das russische Verkehrsministerium hier Geld als Kompensation ausgestreut für Radfahrer, die mit dem russischen Straßenzustand unzufrieden sind. Wie auch immer, wir sammeln weiter und stellen weiter abstruse Theorien auf und das tollste ist, es scheint an der gleichen Stelle, also so auf 50 Metern Strecke nicht weniger zu werden, sondern eher mehr.

Als Mirjam und ich uns beim Sammeln wieder einmal begegnen, inzwischen jeder schon die Tasche voller Kleingeld, klimpert es plötzlich, als ein Auto vorbeifährt. Wir sehen uns an und auf den Baum hinter uns, von diesem hängen bunte Tücher herab und aus dem nächsten Auto fliegen wieder Münzen heraus. Das ist also des Rätsels Lösung: Ein Glücksbaum oder so etwas in die Richtung. Wir steigen lachend wieder auf die Räder und treffen an der nächsten Raststätte wieder auf Jackie und Gerhard. Barbara mag der Geldquelle noch nicht den Rücken drehen und sammelt noch ein paar Minuten weiter. Die Ausbeute ist nicht schlecht, über 60 Rubel, das reicht für 2 Biere und ein Eis.

In Tscheremchowo bleiben wir dann in einem recht sowjetischen Hotel, die Zimmer sind einfach, die Etagentoilette eher ein Katastrophe, aber die einfache Dusche unten im Erdgeschoss funktioniert. Die Damen sind mehr als freundlich, haben aber etwas Mühe unser Pässe zu lesen und die Formulare auszufüllen. Wir helfen bereitwillig und erfinden die fehlenden Daten großzügig. Nebenan gibt es noch ein kleines Cafe mit Nudeln und Pizza.

Eine Reaktion zu “94. Tag: Montag, der 18. Juli 2011”

  1. Karin

    Hallo,Ihr Pistenreiter!
    der glücksbaum soll euch nicht nur rubel bescheren ,sondern auch bessere,staubfreie und schlauchlochfreie Strecke bringen. DieLandschaft,hügelige Straßen ,Dörfer (Häuser )und Menschen auf den Fotos geben wieder guten Einblick in das trostlose(oder doch nicht?) Einerlei in der sibirischen Einöde.Ich leide und freue mich mit Euch.
    Gruß Karin

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