20. Tag: Donnerstag der 5. Mai 2010

Am Meer

110 Kilometer von Bauska nach Jurmala, auf Europastraße, Piste und kleinen Straßen und 6 km direkt am Strand der Ostsee entlang, Kälterekord bei vielleicht 1 Grad bis nachmittags 7 Grad bei Sonne und Wolken, 85 Höhenmeter

Der Schritt aus der Tür ist ein Frostschock, zum Glück scheint die Sonne, aber der fahrtwind zieht doch recht kühl durch jede Bekleidungsritze. Die ersten 10 Kilometer teilen wir uns die Europastraße mit dickem Verkehr, dann können wir auf eine kleine Straße abbiegen, die natürlich wieder einmal keinen Asphalt hat, aber inzwischen sind wir schon daran gewöhnt und auch heute tuckeln wir wieder 15 km über die Piste.

Die Landschaft hier ist auch toll, flach wie ein Brett und nur selten Hügel. Überall riesige Felder und Birkenhaine und da wir ja gegen die Jahreszeit fahren ist der Frühling hier gerade einmal so weit, wie vor drei Wochen in Berlin mit Osterglocken und Forsythien und frischestem Birkengrün. Leider fehlen die schönen Holzhäuser, die das Land Litauen so symphatisch gemacht haben. Hier findet man in den Dörfern nur schlecht verputztes Mauerwerk oder angeranzten sozialistischen Plattenbau. Dafür sind die Preise höher als im Nachbarland und da der Let im Kurs von 0,65 zum Euro getauscht wird, verstärkt sich dieses Gefühl noch.

In Jelgava gibt es dann auch ein nettes Zentrum, schöne Bürgerhäuser und ein paar Kirchen, sowie ein Schloss, welches gerade renoviert wird.

Die meeresnähe kann man schon riechen und der boiden wird immer sandiger. Dann führt die Straße parallel zum Ufer, aber ein dicker Kiefernwald versperrt uns die Sicht. Irgenwann biegen wir ab und entdecken, dass es eine Sandspur direkt am Strand gibt, die sogar recht fest gefahren ist und so haben wir idyllische 6 Kilometer bis nach Jurmala direkt an der Ostsee entlang. Viel iszt hier noch nicht los, lediglich ein paar ordentlich vermummte Spaziergänger, aber etwas anderes kann man zu der Jahreszeit ja hier auch nicht tun.

Viel Treibgut gibt es und damit natürlich auch jede Menge angespülter Dreck, aber ich kann mir vorstellen, dass zur saison der Strand hier auch täglich gereinigt wird. Im Moment genießen die Möwen und ein einem Bieber ähnliches Geschöpf den einsamen Strand.

Jurmala ist, abgesehen von der durchführenden großen Straße fast ein Museumsdorf. Überall Holzhäuser im russischen Stil, dicht an dicht, einige wegen Baufälligkeit gesperrt, andere liebevoll restauriert. Dazwischen dann die Schandtaten aus sozialistischen Zeiten, große Gewerkschaftsbunker ohne jeglichen Charme und inzwischen verrottetem Glanz. Daneben dann die genauso schrecklichen Schandtaten der „Nachwende“. Jeder drittklassige Architekt kann nun hier seine pseudofuturistischen Ergüsse ohne Rücksicht auf die Umgebung in den Kiefernwald am Strand klatschen, eine hohe mauer schützt dann die Edelkarossen der reichen Badegäste aus dem gesamten Baltikum und Russland.

Unser Hotel ist renoviert im alten Stil und sehr nett anzusehen und es gibt eine Badewanne, was für ein Gefühl nach dem langen schönen Tag draußen in der frostigen Frische, nachdem wir noch über die Flaniermeile spaziert sind.

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