Donnerstag, 7. August 2008, erster Tag in Beijing: „Auf den Spuren der gelben Kaiser“

So vielfältig wie die Charaktere in unserer Gruppe sind, so vielfältig sind auch die Interessen. Einige von uns waren schon in Beijing, einige noch nicht und so versuchen wir mehrere Varianten anzubieten. Einige wollen in die verbotene Stadt, andere zum Sommerpalast und die letzten in den Lamatempel.

Ich breche mit meiner Gruppe nach dem frühstück auf in die Verbotene Stadt, die bis vor hundert Jahren nur dem Gelben Kaiser und seinem Gefolge zugänglich war. Eingebettet in die ideale Anlage einer chinesischen Stadt, das heißt rechteckige Stadtmauer, nach Norden ausgerichtet, liegt die Verbotene Stadt auf der Hauptachse. Durch 11 Tore musste man kommen, um bis zur Audienzhalle des Kaisers vorzudringen und das war damals genauso schwer, wie eine Audienz beim amerikanischen Präsidenten zu bekommen und ähnlich hoch waren die Sicherheitsstandards. Heute pilgern tausend von Touristen täglich durch die heiligen Hallen und werfen einen Blick auf die Audienzhallen und die Gemächer des Kaisers und seiner Konkubinen und auch auf das Bett in denen Hochzeit gehalten wurde, das heißt jenes Bett in das jede der 2000 Frauen des Kaisers zu hüpfen hoffte. Der zutritt dahin war mit schweren Steinen gepflastert, musste man sich doch die Gunst der Eunuchen erwerben, die für die Planung des Sexuallebens des Kaisers zuständig waren. Danach galt es dann natürlich einen Knaben zu gebären, der als möglicher Thronfolger eingesetzt werden konnte und für dieses Ziel wurde natürlich kein Mittel ausgelassen, Mord und Intrige inbegriffen.

Doch so weit sind wir noch gar nicht, auch wenn wir die Verbotene Stadt von der falsche Seite betreten, nämlich von Norden, denn dieser Eingang war einstmals nur für das Personal und die Frauen vorgesehen. Dafür ist es die schönere Seite des Palastes mit alten Bäumen, künstlichen Teichen und Steinformationen. Letzteres darf in keinem chinesischen Garten fehlen, denn das chinesische Wort für Landschaft, Shanshui, bedeutet Berge und Wasser, also bringt jeder chinesische Gartenbauingenieur beide Elemente mit hinein. Am beliebtesten sind Taihu Steine, aus dem Taihu-See bei Suzhou mit ihren charakteristischen Löchern, die ich allerdings persönlich ganz schrecklich finde, aber die Chinesen lieben es, damit berühmte Landschaften zu kopieren.

Nach den Gemächern der Konkubinen mit Ausstellungen von Uhren und Vasen aus der Qing Dynastie dringen wir nach Süden vor, zu den Gemächern des Kaisers und den Empfangshallen.

Prachtvolle hallen, vor denen jeweils ein riesiger Platz liegt machtem jedem Ankömmling klar, wie klein seine rolle und Bedeutung im Getriebe des konfuzianischen Staatsgebildes war und das der Kaiser die unumschränkte Herrschaft über das Land hatte. Aber auch die Stühle der Kaiser waren wackelig, wenn sie dem Druck ihrer Berufung nicht gewachsen waren oder sich den einflussreichen Schichten des chinesischen reiches entziehen wollten, dann wurden gründe und Anlässe gesucht, dem Kaiser das „Mandat des Himmels“ zu entziehen.

Vielen von uns sind die Massenszenen aus dem Film „Der letzte Kaiser“ noch gegenwärtig und auch heute tummeln sich tausende von Menschen auf dem Platz, aber natürlich nicht in Reih und Glied, sondern eine bunte Mischung aus Jungen und Alten, Reichen und Armen, Großen und Kleinen, Modischen und Mao-Anzugträgern, denn heute MUSS jeder Chinese einmal hier gewesen sein, ebenso wie auf der großen Mauer, denn das macht einen richtigen Chienesen, einen „Nanzihan“ aus.

In diesem Sinne zählen wir und die anderen wenigen Ausländer, die sich in der bunten chinesischen Menge verlieren schon zu den „besseren“ Chinesen, denn wir haben die Mauer schon an vielen Stellen gesehen.

Aus dem Kaiserpalast heraus radeln wir ins Deutsche Haus, das sich am dritten Ring befindet und werden dort empfangen und herumgeführt. Leider ist noch nicht alles fertig und wir bekommen einen kleinen Eindruck, welche Partys hier in den nächsten tagen und Wochen gefeiert werden, aber dafür fehlt uns dann trotz unserer wirklichen olympischen Begeisterung die Prominenz oder das nötige Kleingeld, denn eine Tageskarte kostet 400 € , allerdings kann man dafür kostenlos Essen und Trinken bis zum Umfallen. Hubert bezeichnet die Anlage kurz und bündig als eine gigantische Steuergeldverbrennungsmaschine, ich schließe mich mit der Bemerkung, dass die Sandwichs allerdings recht ordentlich waren, seiner Meinung an. Aber immerhin, wir sind empfangen worden und haben den Sportfunktionären zeigen können, dass es verschiedene olympische Konzepte gibt.

Danach trennen wir uns und die Gruppe hat Zeit zur freien Verfügung und zum Bummeln in den belebten Straßen rund ums Hotel. Ich fahre noch zur ARD und gebe ein nettes Radiointerview zur Tour.

Dann nehme ich noch die Einladung einer Dame aus der deutschen Politik an und wir verbringen den Abend in einem Lokal mit Pacific-Rim Food, also einer Mischung aus allen Essensideen, die es auf diesem Globus gibt und es ist wirklich lecker und in mir erwacht wieder die Idee, irgendwann mein kleines, aber feines Restaurant zu eröffnen, aber das muss noch soooooo lange warten, bis ich nicht mehr Rad fahren kann oder will.

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