Freitag, 18. Juli 2008, Von Xian nach Lintong, 39 Kilometer, 453 Höhenmeter: „Graue Soldaten und buntes Feuerwerk“


Heute wird wohl einer der geschichtlich interessantesten Tage, steht doch die weltberühmte Terrakotta-Armee auf dem Programm. Doch diese steht nicht direkt in Xian, sondern 35 Kilometer entfernt in der Nähe der kleinen Stadt Lintong.

Die Stadtausfahrt mit zwei großen Gruppen ist schon ein Abenteuer alleine. Im großen Pulk wühlen wir uns durch den dichten verkehr der 4 Millionen Einwohner zählenden Stadt. Schwer zu kämpfen haben wir immer wieder mit den Busfahrern, die oft auf brutalste Art und Weise unser Feld sprengen wollen. Wir sind solche Fahrstile aber inzwischen gut gewöhnt und halten unsere Gruppe zusammen und kommen so gut aus der Stadt heraus.

Für einige sind es heute die ersten kilometer auf dem Weg nach Beijing und so bleiben wir die ganze Strecke auch zusammen. Aus Xian heraus biegen wir dann auf Nebenstraßen und schmale Wege ab. In einer lang gestreckten Kolonne geht es dann durch die Dörfer und Maisfelder.

Heute zeigt sich, dass wir wieder einmal eine andere Klimazone erreicht haben. Nach den kühlen und feuchten Tagen brennt heute die Sonne wieder, aber die Luftfeuchtigkeit ist unheimlich hoch und alle Sachen kleben am Körper und schon die kleinste Steigung verursacht einen Schweißausbruch.

Deshalb brauche ich nach der mittäglichen Ankunft im Hotel in Lintong auch erst einmal dringend eine Dusche. Danach geht es flugs ins Restaurant für ein schnelles Mittagessen, dass sich dann doch etwas länger hinzieht. Ein Teil der Leute möchte dann mit dem Rad zur Terrakotta-Armee und der andere teil fährt mit dem Bus.

Auf historischem Grund fahren wir hier, denn hier um Xian ist die eigentliche Wiege des chinesischen reiches. Schon tausend Jahre vor der Zeitwende gab es hier in schneller Folge mächtige Staaten und Königreiche, die etwa 380 Jahr vor Christus dann zu einem ersten chinesischen Reich durch den Gelben Kaiser Qin Shi Huang Di zusammen gefügt worden sind.

Dieser Kaiser beansprucht für sich und seine Leistung Unsterblichkeit und ließ sich ein riesiges Grabmal, geschützt durch eine Tonarmee mit mehr als 9000 Soldaten schützen. Der Grabhügel liegt noch heute unangetastet in der Landschaft. Wissenschaftler vermuten in dem Hügel eine kostbare Grabanlage mit Beigaben in unschätzbarem Wert. Doch der Sarg des Kaisers soll in einem Quecksilbersee schwimmen und Probebohrungen ergaben auch stark erhöhte Quecksilberwerte. Noch gibt es keine Technologie um die Anlage unbeschädigt zu öffnen und so hat die chinesische Regierung Grabungsstopp angeordnet und die Geheimnisse der Anlage werden wohl noch Jahr oder Jahrzehnte unangetastet bleiben.

Wir lösen unsere Tickets für den freigelegten teil, die weltberühmte Armee der Tonkrieger und marschieren erst einmal die Straße der Verkäufer entlang, die hier die Kopien der Soldaten in allen Größen und Ausführungen verhökern.

Der Kinosaal bietet eine Unendlichschleife eines Filmes über die Entstehung und Zerstörung der Grabanlage. Zuviel lastete auf dem Volk des ersten gelben Kaisers, die ersten Teile der großen Mauer entstanden, neue Städte, Feldzüge, die Grabanlage und die Tonkriegerarmee. All dies ließ das Land ausbluten und führt zu Unruhen und so wurden die Tonkrieger schon durch einen Bauernaufstand zerstört, bevor die Anlage fertig gestellt war.

 

Doch auch die Überreste sind beeindruckend. In der riesigen Grabungshalle sind die tausenden von Soldaten aufgestellt und aufgereiht. Kein Gesicht der lebensgroßen gestalten, die alle in mühseliger Handarbeit hergestellt wurden, gleicht dem anderen und es gibt Fußsoldaten, Kavallerie und Bogenschützen. Trotz des gewaltigen Andrangs ist die Anlage überwältigend, auch für mich, obwohl ich hier nun schon zum dritten Male bin.

In einer zweiten halle befindet sich der Gefechtsstand mit Offizieren und Generälen, leider noch weniger dgut erhalten, aber in dieser Halle gibt es auch Glasvitrinen mit Soldaten, die man fast hautnah betrachten kann. Fasziniert stehe ich vor den Tonsoldaten in Grau und bewundere die Einzelheiten und Details an den Uniformen. Alles ist bis in kleinste detailgetreu wiedergegeben und es sieht wirklich so aus, als ob der Soldat mitten im Leben von einer Hexe verzaubert und versteinert wurde.

Ursprünglich waren alle Soldaten bunt bemalt, aber nach den Ausgrabungen verblassten die Farben innerhalb weniger Stunden. Auch deshalb sind große Teile der Armee, die in den frühen 70er Jahren entdeckt wurde, bisher noch immer mit gelbem Lehm bedeckt und Wissenschaftler arbeiten an Konservierungsmethoden.

Gute drei Stunden brauchen wir, bis wir alles gesehen haben, ich erstehe noch eine Tüte mit Soldatenfiguren für einen Yuan, also 10 Cent das Stück als Andenken und Mitbringsel, auch wenn ich weiß, dass sie gar nicht mehr in den Koffer passen.

Zurück im Hotel lassen einige das Abendessen ausfallen und bewundern dafür ein riesiges Feuerwerk aus Anlass der Eröffnung eines Kaufhauses. Gute dreißig Minuten schießen Raketen in den Himmel und explodieren in bunten Ringen, Kugeln und Fontainen. Was hier aus Anlass einer Kaufhauseröffnung geboten wird, stellt ein Jahreswechselfeuerwerk in Berlin am Brandenburger Tor in den Schatten und ich sehe staunend bis zum Verglühen der letzten bunten Funken zu, obwohl ich zeitig ins Bett wollte.

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