Donnerstag, 29. Mai 2008, von Kyzyl Oi bis vor den Kyzart-Pass, 95 Kilometer, 985 Höhenmeter

Nachdem es die ganze Nacht geregnet hat, haben wir am Morgen das schöne Wetter komplett zurück. Es ist klar und sonnig und die Sonne sticht nicht zu sehr.

Das Frühstück in der Familie ist lecker, drei große Spiegeleier, ein wenig Salat und hausgemachte Himbeermarmelade.

Gegen 9 Uhr rollen wir dann aus dem Dorf, weiter über die Buckelpiste am reißenden Fluss entlang des engen Tals hinunter. Die Straße ist genauso schlecht wie am Vortage, aber die Landschaft entschädigt komplett. Auf der anderen Uferseite liegen verschiedenste trockene Felsenformationen, die in der Sonne rot leuchten. Ein Tal so voller Gegensätze, denn so trocken und kahl die eine Seite ist, um so satter scheint das Grün auf der anderen Seite zu sein, wo fette Weiden das Bild bestimmen und dahinter thronen hohe Berge mit Gletschern und Schnee. Das erste Dorf im Tal durch das wir heute fahren hatte schon bessere Zeiten. Der ehemalige Kolchos ist verfallen, riesige Stallanlagen und Verwaltungsgebäude und ein abrissreifes Kulturhaus erinnern an sowjetische Zeiten. Heute steht nur ab und zu eine Kuh am Straßenrand und starrt wiederkäuend auf die Radler.

Irgendetwas scheint nicht in Ordnung, denn es ist schon fast Mittag und unser Fahrzeug hat uns noch nicht überholt und müsst eigentlich schon weit vor uns sein. Verfahren haben können wir uns nicht, denn es gibt nur eine Straße. Vielleicht ist irgendetwas mit dem Auto; herausfinden können wir es nicht, denn es gibt schon seit zwei Tagen kein Handynetz mehr, also bleibt uns nichts anderes übrig, als weiter zu fahren.

 

Unser Tal wird weiter und ein Ort reiht sich an den anderen. Gerade ist Schulschluss und viele Jungs und Mädchen sind wieder auf dem Weg nach Hause. Die Mädels sind all chic angezogen und haben weiße Schleifen im Haar und auch die Jungen versucht man einigermaßen herauszuputzen. Ein kleiner Laden ist dann unsere Rettung, da von unserem Truck immer noch keine Spur zu sehen ist. Zuerst wird die Eiskiste komplett geplündert und alle vorrätigen Sorten getestet, dann geht es an das Keksregal und die Getränke.

Irgendwann, als die ersten schon wieder unterwegs sind, taucht dann der grüne SIL-Lkw auf und hat den VW-Bus im Schlepp. Sieg der sowjetischen Technik über die deutsche, der Antrieb des Busses ist komplett hinüber. Deswegen dauert es bis zum Mittag noch eine Weile, aber hinter einem Dorf finden wir am Straßenrand unter schattigen Bäumen einen schönen Platz und ein Tomatensalat ist schnell mit allgemeiner Unterstützung geschnitzelt.

Von nun an geht es bergauf, gleich hinter dem Mittagsplatz schraubt sich die Straße einen trockenen Hügel hinauf und wir erreichen eine riesige Hochebene.

In der Ebene sind kleine Dörfer verstreut und in auf der unendlichen grünen Fläche sind kleine schwarze oder weiße Punkte, Schafe, bis zum Horizont, wo sich in alle Richtungen Bergriesen erheben. Alle sind beeindruckt, dass wir heute eine grandiose Landschaft, wie nie zuvor auf dieser Tour sehen. Fahrzeuge gibt es wenig auf der Piste, aber ab und zu kommen ein paar Kirgisen auf dem Pferd oder Esel vorbei und grüßen freundlich und wir grüßen zurück.

Zwischen den Dörfern liegen viele Friedhöfe, so viele, dass man denkt hier wird mehr gestorben als gelebt. Aber es gibt keine Familiengräber und jedem Dahingegangenen wird ein großes Grabmal errichtet, je nach Reichtum oder Wohlstand kann das schon das Format eines kleinen Einfamilienhauses haben. Oben auf dem Grabmahl aus Lehmziegel dann eine Kuppel, die oftmals mit Silberblech belegt ist und in der Abendsonne gegen den blauen Himmel strahlt.

Die letzten Kilometer wollen nicht enden und es geht kräftig bergan, wir sind schon wieder satt über 2000 Meter hoch, als wir endlich an ein Flüsschen kommen und unser Lager liegt dann idyllisch auf einer saftigen Wiese links neben der Straße. Durch die Wiese mäandriert der kleine Bach und lädt zu einem erfrischenden abendlichen Bad ein. Danach werfe ich mir schnell alle Sachen über, die ich dabei habe, denn jetzt, wo die Sonne hinter dem Berg verschwunden ist, wird es empfindlich kalt. Alle freuen sich auf das Abendbrot, wie immer eine Suppe und denn Erbsenpüree und Hühnchen und Dieter fühlt sich fast wie zu Hause in Berlin.

Nach einem langen Tag freue ich mich auf meinen Schlafsack, den ich heute bis oben zu machen muss, doch nach ein paar Minuten ist es kuschelig warm und ich schlafe sofort ein.

 

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