Donnerstag, 17.April 2008, von Turkmenbashi nach Balkananbat, 120 Kilometer, 1151 Höhenmeter: “Wüste in allen Variationen“

Wieder einmal ein lausiges Frühstück und das nach dem fehlenden Abendessen am gestrigen Tag. Draußen sieht es auch nicht toll aus, es ist trübe und kühl, doch um 9 Uhr sitzen wir auf den Rädern und fahren durch die Stadt. Das letzte Mal war ich vor 15 Jahren hier und kann mich an nicht viel erinnern. Turkmenbashi ist eine kleine Stadt mit ein paar charakterfreien Gebäuden. Am Rathaus zeigt ein Strich die Meereshöhe Null, den das Kaspische Meer liegt 26 Meter unter dem Meeresspiegel der Ozeane. Vor der Stadt große Erdölanlagen, dann geht es einen Berg hinauf und dort gibt es nur noch ein paar kleine Häuschen, die in der weiten trockenen Steppe armseliger wirken, als sie sind. An der Straße kauen ein paar Kamele, die keine Kamele, sondern Dromedare sind, auf stacheligen Ranken herum. Ich kann einige von uns gerade noch so davon abhalten mit den Rädern in die Wüste näher zu den Tieren zu fahren, denn die Dornen, die im biologischen Sinne keine Dornen, sondern Stacheln sind, fürchten sich nicht vor unseren „unplattbaren“ Mänteln und ich habe keine Lust auf das Flicken von einem Dutzend Plattfüßen.

 

Der Wind meint es nicht gut mit uns, als wir die letzten Häuser hinter uns lassen, im Gegenteil, er frischt in der nächsten halben Stunde mächtig auf, Windstärke 5, schätze ich, mit heftigeren Böen dazwischen. Diese treiben dichte Schwaden von Staub und feinem Sand vor uns her. Der prickelt unangenehm auf jeder offenen Hautfläche und bald sind wir verpackt wie eine Marsexpedition. Noch einmal frischt der Wind auf und treibt uns zu einer Pause in einer Bushaltestelle. Soll dies ein Willkommensgruß sein in Turkmenistan oder in der Wüst? Nun dann scheinen wir keine erwünschten Gäste. Da sich am Wind nichts ändert, treibe ich meine Leute etwas an. Es hilft nichts und wir müssen da durch. In kleinen Gruppen kämpfen wir uns durch den Sturm, mit nur 10 oder 11 km/h geht es nur mühselig vorwärts, wenigstens lässt irgendwann der Sand und Staub nach, aber angenehmer wird es dadurch nicht. Auch meine Taktik für die langen Wüstenetappen ist dahin, bei solchem Wetter sind 150 Kilometer nicht zu schaffen. Bei einer kleinen Rast beschließen wir die drei Gruppen zu belassen und zu sehen wie weit wir kommen, den Rest nach Balkanabat werden wir wohl im Bus zurücklegen müssen. Dann geht es weiter, irgendwann lässt der Wind etwas nach, aber mehr als 14 oder 15 Kilometer pro Stunde sind nicht möglich. Viel zu sehen gibt es nicht, rundherum Wüste, grau und langweilig, mit viel trockener Erde und ein paar kargen Stauden. Nur die stacheligen Stauden sind an den Spitzen grün und zeigen, dass ja eigentlich Frühling ist. Ab und zu tauchen rechts im Dunst noch das Meer auf und an der linken Seite ziehen graubraune Hügel vorbei. Ab und zu kommen wir an einer kleinen Siedlung mit gleichartigen flachen grauen Häusern auf. Von was leben die Leute hier? Kein Baum, kein Strauch, nur ab und zu ein paar Kamele, die von uns oder vom Wind nicht im Mindesten beeindruckt sind. Menschen sieht man nur ganz wenige. Ab und zu winkt uns ein Kind zu und an einer Bushaltestelle sitzen Frauen mit Kopftüchern und verkaufen eine weiße Flüssigkeit, Kamelsauermilch. Ich überlege kurz und kaufe mir eine Flasche, eine phantastische Sauermilch mit einem eben etwas kameligem Beigeschmack, erfrischend und Durst löschen und hoffentlich ohne fatale Auswirkung auf den Verdauungstrakt. Durch meine Asientrips hoffe ich, etwas abgehärtet zu sein. Meine Mitradler halten sich dann auch zurück und probieren nur einen winzigen Schluck. Auch das Mittagspicknick machen wir in drei Gruppen im Bus. Da der Wind ein wenig nachgelassen hat könnten einige von uns das Tagesziel Balkanabat noch aus eigener Kraft erreichen und so kämpfen wir dann weiter. Doch der Wind frischt wieder so auf, dass es zur Qual wird. Auch Helma und Rosemarie steigen in den Bus um. In meiner Gruppe fahren dann Robert und Dieter und ich, knallhartes Windschattenfahren ist angesagt, jeder genau einen Kilometer im Wind und dann 5 cm hinter dem Rad des anderen oder seitlich versetzt, wenn der Wind von der Kante kommt. Wir schrauben das Tempo auf 17 km/h hoch und rechnen mit einer Ankunft um 19.30 Uhr, doch hinter dem übernächsten Hügel bricht der Wind von neuem kräftig los und wieder sind wir bei 11 oder 12 km/h, geschätzte Ankunftszeit Mitternacht. Bei Kilometer 120 treffen wir auf die vorderste Gruppe. Es ist 19 Uhr, der Wind strafft sich mehr und mehr und das GPS zeigt 15 Kilometer mehr als geplant, also noch 45 Kilometer gegen den Sturm. Die letzte Nacht war auch zu kurz und wir haben Hunger. Also rufen wir den Bus zurück, der dann auch eine halbe Stunde später kommt. Alle sind total müde und kaputt, egal ob sie den ganzen Tag im Wind gestanden haben oder nicht. Gegen 20 Uhr erreichen wir Balkanabat, dass ich als großes Dorf in Erinnerung habe, doch nun geht es vorbei an einer langen Straße moderner Bauten, Theater, Ölkompanien, und unser Hotel. Vor der letzten Kreuzung kommt es fast zu einem Touche mit einem Pkw, der Fahrer fährt vor den Bus, springt aus dem Fahrzeug und schimpft wüst mit unserem Fahrer. Inzwischen springt ein Passant in den auf der Straße stehenden Wagen, lässt den Motor an und fährt mit quietschenden Reifen los. Der schimpfende Fahrer springt zu seinem Auto, erwischt das offene Fenster und hält sich daran fest und wird in der nächsten Kurve davon geschleudert. Unser Fahrer legt den Gang ein und sieht zu, dass er weg kommt und im Bus sitzen wir alle mit aufgeklappten Kinnladen, und ich baue dann auch alle drei Schlösser ans Rad, trotz des bewachten Parkplatzes.

Wenigstens wollen wir ausreichend Schlaf und ein gutes Abendbrot haben und das gibt es dann auch im Hotelrestaurant, Suppe, Vorspeise, Hauptspeise nach Karte und dann nur noch ab ins Bett mit bleischweren Glieder, hoffentlich wird das Wetter morgen etwas besser!

Einen Kommentar schreiben