Mittwoch, 26. März 2008, von Fatsa nach Giresun, 102 Kilometer, 597 Höhenmeter


Unzufriedenheit ist im Moment ein mittleres Problem in der Gruppe, sollen wir heute die länger und wahrscheinlich schönere Strecke oder die Kürzere Autobahnstrecke mit Tunnel nehmen, beträgt die Entfernung nun 75 Kilometer oder gar 135, sind wir zu langsam oder zu schnell, sollen wir in einer Gruppe oder in mehreren die Autobahn entlangfahren, im Restaurant essen oder Picknick machen, zeitig oder später. Aus diesem Grunde setze ich am Abend ein Meeting an.

Die Streckenfrage hat sich sowieso von allein gelöst, bei strahlen blauem Himmel gibt es keinen Grund auf der Autobahn durch einen 4 km Tunnel zu fahren und die Entscheidung hat sich gelohnt; auf einer kleinen, wenig befahrenen Straße folgen wir der Küste, über Hügel geht es durch kleine Dörfer. Wir werden spontan zum Tee eingeladen, haben wunderschöne Ausblicke über romantische Buchten oder kleine Fischereihäfen, wir beobachten, wie der morgendlich Fang ausgeladen und auf einen Lieferwagen verfrachtet wird, unterhalten uns mit einer 72 jährigen Bäuerin, Mutter von 11 Kindern, von denn zwei in Deutschland leben, also ein Bilderbuch-Reiseveranstalter-Programm.

Erst gegen Mittag treffen wir die Autobahn wieder, der Wind hat gedreht und bläst jetzt ein wenig gegen uns, also fahren wir in der Gruppe und für die hinteren ist es ein wenig leichter, als für die Beiden, die vorne gegen den Wind strampeln. Durch Ordu müssen wir leider durchblasen, da die Polizei jeder Kreuzung für uns gesperrt hat, keine Chance für einen Stop, die Polizei meint es manchmal zu gut mit uns.

Mittag wollen wir eigentlich in einem schönen Lokal mit Seeblick machen, aber wir landen wieder auf einer Raststätte an der Tankstelle, die einfachste Lösung wohl für die Polizei und einige fragen sich, wer die Reise organisiert hat, die Polizei oder der Veranstalter.

Gegen halb vier trudeln wir durch die Vororte von Giresun, eine etwas größere Kleinstadt, die in der Nachmittagssonne erwartungsvoll leuchtet. Mit Treffpunkt halb acht entlässt uns Cezmi und nach einer kurzen Dusche schwärmen alle aus. Ich schnappe mir Kasim, unseren Fahrer, und wir schlendern kurz durch die wenigen Einkaufsstraßen und biegen dann wahllos links und rechts ab, wo es gerade interessant aussieht. Versteckt liegen überall wunderschöne uralte Häuser. Manche renoviert und wunderschön, andere baufällig und wohl leider auf den Abriss wartend. Wieder andere genauso verrottet, aber von der Vegetation zurückerobert, mit grün überwucherten Steinmauern und Treppen als Zugang, ein Gebäude in das man sich nicht ohne ein Gruseln wagen würde und das ein wunderbare Kulisse für einen Horrorfilm abgeben könnte, mit abgründigen Geheimnissen, an die man nicht einmal tagsüber denken möchte. Auf der anderen Seite des Hügels eine Terrasse mit phantastischem Blick aufs Meer und die untergehende Sonne und Liebespärchen, die sich Hände haltend aneinander kuscheln. Kasim lacht, er hat einen Wortfetzen aufgefangen und übersetzt, was das Mädchen zu dem Jungen gesagt hat, sie sei nicht so ein Mädchen, wie alle anderen hier in der Stadt…. Ich blicke noch einmal zurück, sie ist wirklich hübsch und gebe ihr in Gedanken Recht.

Bevor wir ins Hotel zurückgehen trinken wir noch einen Tee in einer verräucherten Teestube und ich setze mich danach gleich an den Computer, um noch ein wenig Arbeit nachzuholen, in den letzten drei Tagen, war ich ein wenig verschnupft und bin kaum zum Schreiben gekommen und das versuche ich nun nachzuholen.

Am Abend dann unser Plenum, welches wohl ganz gut tut und jede Menge größerer und kleinerer Probleme auf den Tisch kommen. Hoffen wir, dass wir in den nächsten Tagen und Wochen dann mit verbesserter Kommunikation und angenehmerem Umgangston vorankommen, unsere morgige 135 Kilometer Etappe wird es zeigen.

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